Speaker’s Corner: Entgendern ?!?

Ein Kompromiss den ich unterstützen kann

Ein Beitrag vom Mausebär (Thorsten Dürholt), der einen versöhnlichen Schritt in Richtung Gendergerechtigkeit gehen will.

Vor wenigen Tagen habe ich geschrieben, warum ich meine persönlichen Texte nicht gendern werde.
Nach wie vor vertrete ich diese Haltung, aber der zunehmende Druck der Gesellschaft, beziehungsweise eines kleinen, aber sehr lauten Teils der Gesellschaft, zwingt mich dazu, Kompromisse zu finden.
Zumindest für bestimmte Auftragsarbeiten und Schreiben, die ich in Vertretung einer Körperschaft mache, die dem Gedanken des Genderns aufgeschlossen gegenüber steht.

Was aber macht Sprache Gendergerecht?

Persönlich denke ich verstanden zu haben, dass es darum geht, die Sprache so zu gestalten, dass die Bilder, die sie vermittelt, nicht mehr auf einen geschlechtlichen Archetyp hinweisen. Einigen Menschen ist das generische Maskulinum immer noch zu sehr mit dem Gedanken einer männlichen Vormachtstellung verbunden.
Ob dieser Gedanke gerechtfertigt ist, das ist ein ganz anderer Konflikt, den ich hier nicht erörtern werde, denn beide Seiten in dieser Diskussion haben valide und weniger valide Argumente.

Aber was ist dann Gerecht?

Gerecht wäre es, wenn es einen Weg gäbe, alle Menschen, gleich ihres biologischen oder sozialen Geschlechtes immer dann anzusprechen, wenn es sich um eine heterogene Gruppe (also mehr als nur eine geschlechtliche Identifikation in der Gruppe vorhanden) handelt, das Geschlecht nicht bekannt ist (und nicht angenommen werden soll) oder es schlichtweg in dem Moment keine Rolle spielt.

Diesen Effekt kann man zum Beispiel erlangen, in dem man alle Menschen anspricht, zum Beispiel als Leser*innen oder Leser_Innen. Hier soll verdeutlicht werden, dass sowohl Menschen, die sich als Leser, als auch Personen, die sich als Leserin identifizieren, angesprochen sind. Das zusätzliche Sternchen oder der Unterstrich (oder beliebige andere Zeichen) stehen hierbei, für alle diejenigen, die sich in den klassischen Geschlechterrollen nicht wiederfinden.

Meine Kritik daran ist, dass diese Schreibweise nicht nur kompliziert ist, woran man sich gewöhnen könnte (was ein guter Hinweis darauf ist, dass die geschlechtliche Identität auch nicht immer einfach ist), sondern vor allem, dass es nicht integriert, sondern eigentlich ausgrenzt.
Aus der Gruppe der Leser, werden die Gruppen der Leser, der Leserinnen und der Lese-was-auch-immer. Eine vorher homogene Gruppe, geeinigt im Konsum der selben Literatur, zerfällt zu mindestens drei verschiedenen Gruppen.
Das mag gerecht sein, ist aber meiner Meinung nach nicht inkludierend.

Was ist das Problem?

Jetzt stehen sich sogar mindestens zwei Probleme gegenüber.
Zum einen die gerechtfertigte Forderung der Menschen, in die Sprache inkludiert zu werden und einen Platz darin zu finden und zum anderen die verbitterte Ablehnung des generischen Maskulinums aufgrund der umstrittenen Geschichte der Geschlechtergerechtigkeit.
Und das Ganze bitte inkludierend und machbar!

Geht nicht? Gibt es Nicht!

Das Problem hat eine einfache Lösung, nämlich das generische Maskulinum zugunsten eines generischen Neutrums abzuschaffen.
Richtig, jetzt kommen wir zum Entgendern.
Wenn das Problem darin besteht, dass sich manche Gruppen mit der Verwendung des Maskulinums nicht angesprochen fühlen, müssen wir ein neutrales Geschlecht entwickeln, das jeden einschließt, gleich seines Geschlechtes (oder anderer Sachen).
Die Lösung wäre, wie ich es schon lange vermute, aus der deutschen Sprache mit ihrem generischen Geschlecht eine Sprache mit einem natürlichem Geschlecht (wie in der englischen Sprache) zu machen.

Kompliziert? Gar nicht!

Die Lösung gibt es bereits.

Thomas Kronschläger, promovierter Literaturdidaktiker der Technischen Universität Braunschweig und begnadeter Science Slammer, hat es geschafft, mich in einem Beitrag zu einem Science Slam (eine Art Kurzvorstellung wissenschaftlicher Forschung und Ideen) und in einem Interview davon zu überzeugen, dass die Methode des Entgenderns nach Phettberg eine Lösung darstellt, die mich zufrieden stellt und für mich auch (zumindest da, wo nötig) anwendbar ist.

Inspiriert durch den österreichischen Philosophen, Künstler und Kabarettist Hermes Phettberg, der diese Methode 1992 zuerst verwendete (es ist also etwas Erprobtes) schlägt Herr Kronschläger vor, wie es von Hermes Phettberg verwendet wurde, immer dann, wenn eine Person angesprochen wird, deren Geschlecht nicht bekannt oder im Kontext nicht erwähnenswert ist, die Grundform der Bezeichnung mit einem angehängtem „Y“ zu verwenden und den neutralen Artikel „Das“.

Ein guter Artikel schaffte es, mir das Prinzip nahe zu bringen und endgültig verständlich zu machen, so dass ich ihn jedem interessierten Menschen empfehlen kann.

So redet man dann, statt von eine/r Ärzt*in, von ein Ärzty.
Somit sind sowohl „die Ärztin“, als auch „der Arzt“ (und alle anderen Geschlechtsformen) in dem Begriff „das Ärzty“ inkludiert.
Sollte ich zum Beispiel nach einem Zahnarzt suchen in einer fremden Stadt, kann ich nach einer Zahnärztin fragen, wenn ich auf eine weibliche Repräsentantin der dentalen Künste bestehe oder nach einem Zahnärzty, wenn mir das Geschlecht egal ist (wie es das bei mir normalerweise ist).

Die Mehrzahl verwendet ebenfalls ein „Das“, beziehungsweise die Mehrzahl „Die“, als Artikel und die Grundform der Ansprache mit einem angehängtem „ys“. Aus den Lesern werden somit die Lesys.
Klingt kompliziert, aber schon zu meinen Zeiten der kurzen Besuche einer höheren Bildungsakademie wurde von Seiten der Studentenschaft oft von „den Studies“ gesprochen, da ist der Weg zu „den Studys“ ein recht kurzer.

Klar machte es das auch nicht alles einfacher, aber in der Wahl zwischen „der/ die Oberbürger*innenmeister*innenassistent*in“ und „das Oberbürgysmeistyassistenty“ finde ich das zweite sowohl einfacher im Sprachgebrauch, als auch deutlich leichter zu schreiben.

Mein Fazit

Es wird sicher Situationen geben, in denen es sprachlich wichtig sein kann, auf die Vielfalt der Menschen hinzuweisen und das sei den entsprechenden Aktivisten auch unbenommen, doch dies ist nicht inkludierend, sondern exkludierend.
Wenn man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen will, kann man halt entweder (gendergerecht) ein Apfel und eine Birne sagen oder (entgendernd) zweimal Obst.
Inkludierend ist es, wenn man Obst sein darf und nicht, wenn man als liebe Äpfel und Birnen als zwei Gruppen angesprochen wird.

Daher werde ich da, wo genderneutrale Sprache wichtig ist, mich der Methode des Entgenderns nach Phettberg bedienen und diese auch als Lösung für die EaN UG anregen.

Ich danke euch, liebe Lesys*

Euer Mausebäry

*Und ja, ich finde das auch niedlich und weich, etwas was die harte deutsche Sprache gebrauchen kann. „Du Arschlochy“ oder du „mieses Schweiny“ klingt gleich viel weniger aggressiv.

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