Buffet mit Hirsch
Trotz seiner radikalen Unlust, fühlt sich der Mausebär (td) geradezu gedrängt, seinen täglichen Text mit Metaphern über das Essen zu garnieren.
Heute habe ich gerade mal keine Lust zu schreiben.
Ich sitze in meiner dunklen Bärenhöhle – nur durch das Licht meines Monitors erhellt – und befinde mich im stillem Zwiegespräch mit Walther.
Zur Erklärung sollte ich erwähnen, dass Walther der Porzellanhirsch ist, der als liebes Geschenk seit neuestem meinen Arbeitstisch ziert. Walther war übrigens seine Idee, aber da der Name Walther sich von dem altdeutschen Namen Walter – wie bei dem berühmten Minnesänger Walter von der Vogelweide – ableitet, dessen ursprüngliche Bedeutung in den althochdeutschen Wörtern „waltan“, was herrschen heißt, wie auch das heutige Verb walten noch verdeutlicht und auch der Ursprung des Wortes Gewalt ist und dem ebenso althochdeutschem Wort „heri“, was sowohl Krieger, als auch Heer bedeuten kann und vermutlich über das Wort „Waltheri“, als Bezeichnung für einen Heeresführer erst zu Walter verschliffen wurde und dann seine Adelung durch das eingeschobene „H“ wieder bekam, durchaus zu einem kapitalem Hirsch passt – und da ein bekannter deutscher Waffenhersteller die Firma Carl Walther ist, was ein Zufall sein mag, passt der Name für mich stimmig in mein Konzept.
Mein reinweißer Freund Walther versucht mir natürlich erst mal zu verdeutlichen, dass Walther ganz bestimmt die mundartliche Verschleifung des Titels „Waldherr“ wäre, was einem Hirsch ja auch angemessen ist. Aber auch eine Würdigung als General in meiner Streitmacht wider den täglichen Wahnsinn ist ihm recht und billig.
Es wäre jetzt auch unsinnig, wenn ich mich in eine semantische Diskussion mit einem Porzellanhirschen verstricke, dafür habe ich ja meine allzeit klugscheißende Plüschratte, die das Ganze wunderbar vom Bett aus kommentiert.
Nun ja, aber darum ging es gerade auch gar nicht, denn diese Diskussion verlief schon viel früher.
Bereits heute Nachmittag fiel die Einigung über die Namensgebung und seitdem ist das Gespräch natürlich längst weiter fortgeschritten.
Wenn übrigens die Eigenart, unbelebten Gegenständen, die bildhafte Darstellungen von Tieren sind, charakterliche Eigenschaften zuzusprechen und mit ihnen zu diskutieren, ein Anzeichen aufkommender Geisteskrankheit ist, dann bin ich seit Jahren massiv gestört.
Aber auch das ist ein völlig anderes Thema.
Im Prinzip geht es darum, dass ich gerade eine schöne Partie Brettspiel über die Internetverbindung gespielte habe und mich gut unterhalten fühle.
Eine geraume Zeit konnte ich im Spiel meine Sorgen und Probleme vergessen.
Das ist ein gutes Gefühl.
Jetzt habe ich Hunger und möchte in meine Abendpause (oder eher Nachtpause) mit Abendessen und Entertainment-Programm.
Eigentlich hätte ich auch ein paar Stunden später schreiben können oder morgen früh, aber meine Hoffnung war, jetzt noch frisch zu sein. Aber während meine Gedanken immer wieder zum Essen abschweifen, versucht Walther, mich radikal an das heutige Thema zu erinnern.
Ich wollte eigentlich etwas über das Buffet der Möglichkeiten schreiben, da ich darüber kurz mit Sonja gesprochen hatte und es interessant finde, meine Gedanken zu dem Thema auch anderen zugänglich zu machen.
Ich möchte also meine Leser in diesem Sinne als Gäste an mein Buffet der Ideen und Gedanken einladen, um jedem zu erlauben, sich gern an allem, was nach seinem Geschmack ist, zu bedienen.
Mit Hunger im Bauch über ein Buffet zu schreiben ist zwar suboptimal, aber Walther möchte, dass ich den guten Gedanken nicht verliere und meine Plüschratte trägt dazu bei: „Die besten Texte werden aus innerem Schmerz, Sehnsucht und Zerrissenheit des Autors geboren. Bei einem Klotz wie Dir muss da der Hunger reichen.“
Also mache ich mich ans Buffet.
Ganz real gesehen ist ein Buffet meine liebste Art der Speisepräsentation.
Das liegt daran, dass ich zwei große Probleme mit dem Essen habe.
Zum einen, ähnlich wie bei der Serienfigur „Adrian Monk“, möchte ich meine Lebensmittel gerne voneinander getrennt und geordnet auf dem Teller haben. Ich habe spezielle Essreihenfolgen und mag es nicht, wenn sich gewisse Bestandteile meines Essen miteinander mischen.
Zum Anderen gibt es eine riesige Liste von Speisen, die ich nicht nur nicht mag, sondern die bei mir aus irgendeinem Grund geistige und körperliche Abwehrreaktionen hervorrufen – und das schon seit frühester Kindheit.
Bei einem Buffet kann ich mich nach meinen verkorksten Ansprüchen bedienen, ohne lästigen Fragen ausgesetzt zu sein und ohne jemanden zu beleidigen.
Das Problem hat mich im Laufe meiner menschlichen Entwicklung extrem über-sensibilisiert und eine Einladung zum Essen ist mir sehr oft ein Gräuel.
Ein Buffet macht alles leichter – ich sehe mich einer Auswahl gegenüber, die aus teilweise köstlichen Gaumenreizen und teilweise aus Würgereiz erregenden Ekelbrocken besteht.
Das brachte mich dazu, die Bestandteile eines Buffets in vier Kategorien zu unterteilen.
- Kategorie A – Die Sachen, die ich unheimlich gerne esse.
- Kategorie B – Die Sachen, die ich esse, ohne damit ein Problem zu haben.
- Kategorie C – Die Sachen, die ich im Notfall runter würgen kann (ernst gemeint).
- Kategorie D – Das ekelige Zeug, was mir schon von Geruch und Aussehen die Magensäure in den Kehlkopf pumpt.
Mein Masterplan ist, meinen Teller mit maximaler Ausbeute von Kategorie A zu befüllen, mir im Notfall Sachen der Kategorie B als Sättigungsbeilage zu verordnen und ganz nonchalant über Kategorie C und D hinwegzusehen.
Tatsächlich kann ich es mittlerweile ertragen, wenn andere Personen sich an Kategorie C und D erfreuen können. Ich versuche einfach, diese Bestandteile des Buffets nicht mit meinen Sinnen zu beurteilen, sondern es den anderen Gästen zu gönnen.
Daraus ergibt sich also, dass ein Buffet immer sowohl mit Leckereien, als auch mit Sachen, die mir egal sind und auch widerlichem Zeug bestückt sind.
Durch meinen Versuch, einen gesellschaftlich angemessenen Umgang mit meinen Essgewohnheiten zu finden, habe ich Toleranz gelernt. Natürlich nicht über Nacht, sondern durch einen langen Weg.
Wenn ich nicht gerade psychisch angeschlagen bin, gelingt mir das sehr gut.
So sehe ich auch soziale Medien als Buffet von Meinungen – und auch diese unterteile ich in die selben Kategorien.
Meist gelingt es mir dadurch sehr gut, den Mist auszublenden und ihn zu tolerieren, als Angebot für andere Geschmäcker.
Ich stelle sogar gerade für mich fest, dass auch Wahrheit letztendlich nur eine Geschmacksfrage ist.
Als solch ein Buffet möchte ich auch meine Texte anbieten – als ein Buffet meiner Gedanken.
Als Gastgeber freue ich mich, wenn jeder meiner Gäste den einen oder anderen Brocken findet, der ihm schmeckt.
Greift also zu bei den Leckereien, bestellt gerne bei mir gezielt nach und überlasst alles, was euch nicht schmeckt, anderen Gästen.
So, jetzt habe ich einen, eigentlich von mir sehr lang geplanten, Gedanken mal eben zwischen Brettspiel und Abendessen geschoben, aber Walther nickt zufrieden, meine Plüschratte verdreht die Augen und zuckt mit den pelzigen Schultern.
Also, fühlt euch auch Morgen wieder eingeladen in den „Goldenen Bären“, wo es wieder ein Buffet ausgezeichneter Gedanken aus regionalem Anbau und mit saisonalen Zutaten geben wird.
Guten Appetit wünscht das Küchenteam, geleitet vom Chefkoch Mausebär (td)
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