Innere Fragen statt inneren Monologen

Wer bin ich, wie fühl ich mich und was soll das?

Heute Vormittag war ich zeuge einer Eindrucksvollen Szene. An meinem offen, aber durch ein Mückennetz geschütztem Schlafzimmerfenster tauchte ein riesiges fliegendes Schlachtschiff in schwarz-gelb auf. Diese heftig brummende biologische Kampfdrohne suchte Einlass in meinen Wohnbereich, wohl wissend, dass ich nicht nur Allergiker bin , sondern auch eine phobisches Verhältnis zu schwarz-gelben Flugobjekten aufweise. Nur knapp entging ich diesem gemeinen Anschlag auf meine Psyche und mein Leben, denn plötzlich schoss ein schwarzer Schatten an meinem Fenster entlang und das Objekt meiner Angst war verschwunden. es war nicht Batman, sondern eine der Krähen, die in den Bäumen vor meinem Fenster wohnen und sich heute wohl ein kleines schwarz-gelbes Mittagessen gegönnt hat.

Ich war echt fasziniert von der Geschwindigkeit, der Situation im Allgemeinen und der betörenden Gnadenlosigkeit der Natur.
Unwillkürlich fragte ich mich, wo ich mich in dem Bild sehe, bin ich eher das laut brummelnde Insekt, das mit Warnfarben ausgestattet durch die Gegend fliegt, oder der dunkle Jäger, der einem Schatten gleich seine Beute erlegt.

Leider ist die ehrliche Antwort wohl, das ich eher das Insekt bin. Zwar würde ich mich gerne eher mit der Krähe identifizieren (ich mag Krähenvögel) und in meiner lang vergangenen Jugend, habe ich mich gerne auch in schwarz gekleidet, um genau diesen eindruck zu vermitteln. Und doch war das eher eine Warnung für die anderen (sozialen) Predatoren in meiner Umgebung, dass ich wehrhaft und giftig bin (oder zumindest gut darin, so zu tun als ob).
Durch meine inneren Ängste fühle ich mich eher auf der Opferseite, auch wenn sich meine Gedanken lieber mit dem Täter assoziieren. Logischerweise, denn wer möchte schon ein Opfer sein. Die sozialen Ängste und die Furcht, zu den Opfern zu gehören, begleitet mich schon seit frühester Kindheit. Ich war innerlich ein schüchternes Kind, mit vielen Ängsten, aber rhetorisch stark, so dass ich mit meiner großen Fresse andere beeinflussen und täuschen konnte.
das Täuschen wurde zu meiner zweiten Natur und ließ sich nicht mehr von mir kontrollieren. Ich baute Maske um Maske um meine Persönlichkeit, statt mich selber kennen zu lernen.
Meine versuche, sich der „Opferrolle“ zu entziehen, sowohl Kampfkunst, als auch Bodybuilding, äußere Darstellung von Gefährlichkeit, wie Punk oder Metal-Outfits (später dann Gothic), wahnsinnige Aktionen um andere zu beeindrucken, als auch jede Menge große Worte täuschten nicht darüber hinweg. Mein inneres Ich versteckte sich bei der geringsten Gefahr wie eine kleine Maus.

Das optimale Versteck, war natürlich das Bärenkostüm, welches ich mir zulegte und das zu meiner zweiten Haut wurde. so wurde ich erst zu einem Mausebären. der Bär wurde Teil von mir, verschmolz mit der Maus zu einer Einheit, die sich gegenseitigen Schutz versprach.
Die meisten Menschen kennen an mir, wenn sie mich überhaupt kennen, nur den Bären.
Die Maus ist zumeist gut versteckt und fürchtet soziale Interaktion.
Der Bär ist derjenige der im Rampenlicht steht, der Narzisst, der Prediger, der Guru, der Besserwisser und Klugscheißer. Ein gemeiner Grizzlybär, nicht bedrohlich durch seine physische Kraft, sondern durch seine rhetorische Stärke. Der quasi Kampfmodus, der allerdings die meiste Zeit aktiv ist, jedenfalls in Gegenwart anderer Menschen.
Die Maus ist schüchtern, hat Lampenfieber, traut sich nicht Menschen anzusprechen. Die Maus würde gerne geliebt werden (das ist dem Bären völlig egal), aber hat Angst vor Zurückweisung. Die Maus fürchtet sich davor, die Kontrolle über den Bären zu verlieren (was oft genug passiert), die Kontrolle über die Situation zu verlieren (Darum hasse ich Überraschungen meistens) und die Kontrolle über sich selber zu verlieren.
Angst ist meine Haupttriebfeder und ständiger Selbstzweifel nährt diese um so mehr. Da helfen mir keine nett gemeinten Worte, denn in mir kann ich sie nicht glauben. Sie freuen mich und nähren mich (Applaus ist das Brot des Künstlers, Komplimente die Droge des Narzissten), aber sie berühren selten, wenn überhaupt den inneren bereich meiner Unsicherheit.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass der Bär alle wohlgemeinten Worte weg fängt, wie ein wilder Grizzlybär die Lachse die zur Paarung Flussaufwärts ziehen und nichts davon bei der Maus in ihrem wolligem Versteck ankommt.

Zur Zeit nagen wieder einmal viele Ängste und Unsicherheiten an mir. Es wirkt so, als würden jetzt die Weichen gestellt, wie es weitergehen soll und ich habe Angst, mich selber zu überrollen.
Ich merke langsam, dass mit jedem Jahr die anzahl der Türen, die mir offen stehen kleiner wird und die Wahl bedeutsamer und schwerwiegender. Viele Dinge, die ich mir für mein Leben gewünscht habe sind mittlerweile nicht mehr realistisch zu erreichen und vielfach sehe ich, das mein Lebensweg ein Improvisieren ist. Ich marschiere von einer Notlösung zu der Anderen, und nur selten habe ich das Gefühl, dass ich voran komme.

Ich merke, das meine Lebensleistung (in meinen Augen und leider bin ich da nicht von Anderem zu überzeugen) marginal ist. Die Dinge die ich schaffe, haben selten die Auswirkung die ich mir erhoffe und manchmal denke ich, das ich einen Mangel an Glück habe.
Das ist objektiv gar nicht wahr.

Jeder ist seines Glückes Schmied, aber ich kann nicht mit Werkzeug umgehen, vertrage keine Hitze und scheue mich vor körperlicher Arbeit – daher ist Schmied halt keine Aufgabe, der ich gewachsen bin.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, welcher Aufgabe ich gewachsen bin. Ich bin ein verdammt guter Blender und als ein Rechtsanwalt aus der IT-Branche, der als Professor angesprochen wird, kann ich mich zumeist gut verkaufen. Aber das ist Schein und kein Sein.
Unter dem Glanz meines vielen Scheins (ich bin wahrscheinlich ein guter Schauspieler) sehe ich selbst mein eigens Sein nicht mehr und stelle meine eigenen Fähigkeiten in Frage, was meine Ängste nur noch weiter nährt.

Ich bin nichts, ich kann nichts und ohne die Unterstützung durch Familie und Gesellschaft bin ich nicht lebensfähig. Mein Beitrag, den ich dafür leiste ist gering.
Meine Familie wird durch die Zeit immer kleiner und das Ende ist in Sicht. dann bin ich nur noch von der Gesellschaft abhängig.
Einer Gesellschaft die mir Angst macht, weil sie immer kälter und unsozialer wird (gefühlterweise).

Als Kind habe ich geträumt, etwas besonderes zu werden. Eine Marke zu setzten. Jemand bekanntes zu werden. Heute weiß ich, das nach meinem Tod nichts von mir zurück bleibt. Mit mir endet der Zweig der Familie und ich habe nichts aufgebaut, was mich überdauern lässt.
Diese Erkenntnis tut mir weh und lässt mich verzweifeln. Das ist eines der Dinge, die die kleine Maus in mir so grenzenlos traurig macht.

Es hilft mir nicht darüber mit jemanden zu reden, das lässt der Bär nicht zu. Seit mehr als 40 Jahren ist es seine Aufgabe, jedes Zeichen von Schwäche zu verbergen hinter dem zotteligen Fell. Damit kann er nicht einfach aufhören und da lässt er sich auch von der Maus nichts sagen.

Was bleibt ist zu versuchen, das Maus und Bär Hand in Hand arbeiten, um zumindest dass zu bewältigen, worauf sich beide Seiten einigen können.
Das versuche ich Tag für Tag und immer öfter agieren die Beiden als Einheit und dann bin ich…

Euer Mausebär

2 Kommentare

  • wie ich hier lesen kann has du nachgedacht. DAS is schon maen guter schritt in die richtige richtung.

    Als Kind habe ich geträumt, etwas besonderes zu werden. Eine Marke zu setzten. Jemand bekanntes zu werden. Heute weiß ich, das nach meinem Tod nichts von mir zurück bleibt. Mit mir endet der Zweig der Familie und ich habe nichts aufgebaut, was mich überdauern lässt.
    Diese Erkenntnis tut mir weh und lässt mich verzweifeln. Das ist eines der Dinge, die die kleine Maus in mir so grenzenlos traurig macht.

    Darüber muss du nich Trauirig sein,denn so geht es wohl dem GRÖßTen teil der Menscheit.
    Schlußendlich Bleibt nur von den wenigsten Menschen etwas nach ihrem Tod. Es ist immer nur eine Frage der Zeit bis wir alle vergessen sind.

    Ich bin nichts, ich kann nichts und ohne die Unterstützung durch Familie und Gesellschaft bin ich nicht lebensfähig. Mein Beitrag, den ich dafür leiste ist gering.

    Und ob Du was bist,du bist unser Mausebär,und du kannst menschen helfen.
    Das is ne menge mehr als so manch anderer kann.

    Alleine kann Heute keiner mehr überleben,vergiss das nicht. Wir sind eine gesellschaft voller Spetzialisten(und ner menge Fachidioten)und je höher du auf der Sozialen leiter schaust, umso weniger sind die leute in der lage allein zu überleben.

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    • Du hast mit den meisten Dingen (wie häufig) recht.
      An guten Tagen, bin ich auch in der Lage, auf diese Gedanken zu kommen, aber an schlechten Tagen fällt mir das schwer.
      Dann ist es natürlich gut, wohlmeinende Menschen um mich zu haben, die mich erneut daran erinnern.
      Es ist die Entwicklung, die ich in den letzten Jahren gemacht habe und die unter anderem (zu einem nicht geringen Teil) von unserer Gruppe ausgelöst wurde, die mir erlaubt die „guten Tage“ zu erleben und wahrzunehmen.
      es ist das Netzwerk an wichtigen Menschen, welches mir erlaubt, an den „schlechten Tagen“ Perspektiven zu sehen und mich ein wenig darauf einlassen zu können, mich daran überhaupt erinnern zu lassen, dass halt nicht alles so ist, wie ich es mit der schwarzen Brille meiner düsteren Gedanken in dem Moment sehe.
      Ich vergesse häufig, dass auch ich das Recht habe verletzlich zu sein und mich mitzuteilen, aber zum Glück habe ich Vreunde, die mich daran erinnern.

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