Should I stay or should I go now…
Ein gefühlsmäßiger „Clash“ mündet in Gedanken über die Zukunft vom Mausebär (a.k.a Thorsten Dürholt).
Wieder mal sitze ich spät in der Nacht am PC und schreibe meinen Text für den morgigen Tag.
Ein Teil von mir hat großen Spaß daran, zu schreiben. Ein anderer Teil nutzt die Gelegenheit einfach mal, den ganzen Mist auszuspülen, der sich in Herz und Hirn eingelagert hat. Wieder ein anderer Teil nutzt das Potential zur Selbstreflektion und auch zur Planung.
Ich gebe gerne meinen Gedanken Form, durch Worte und Sätze. Aufgeschriebene Sätze bekommen eine ernsthafte Verbindlichkeit.
Ich rühme mich, ein Mann zu sein, der zu seinem Wort steht.
Andere mögen der Meinung sein, dass die Grundlage eines Versprechens ist, dass sich jeder mal versprechen kann. Ich sehe das anders.
Ich mag in vielen Dingen ein Blender und Betrüger sein, aber hier zählt bei mir mein eigener Ehrenkodex – Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind mir enorm wichtig.
Darauf bin ich stolz.
Wenn ich etwas aufschreibe, dann steht es da. Damit steht es im Raum. Das erfordert konsequenten Handlungsbedarf. Es ist quasi ein Gutschein, den ich ausstelle. Wenn ich das Geschriebene dann veröffentliche, ist eine Entscheidung getroffen.
„Was bedeutet das jetzt ganz praktisch?“
Ein paar Dinge voraus:
- Ich sitze gerne nachts in meinem Arbeitszimmer und schreibe, das passt zu meinem Biorhythmus und ich genieße die Ruhe. Es drücken mich keine Verpflichtungen und niemand stört mich.
- Es entspannt mich total, manche Gedanken einfach abzugeben. Und da ich ja immer noch mehr eine kleine ängstliche Maus im Innern bin, statt des massiven Bären, den ich nach außen vorgebe zu sein, ist es auch eine für mich angstfreie Form der Kommunikation. Ungehemmt kann ich mich mitteilen.
- Der Gedanke, dass da draußen eine handvoll Leser meine Beiträge lesen und vielleicht sogar mögen, nährt meinen inneren Narzissten. Ich freue mich, wenn ich positives Feedback erhalte. Ich freue mich darüber, so interessant zu schreiben, dass irgendwer meine Texte lesen will.
- Meine Gedanken und Erfahrungen hier mit der Welt zu teilen, ist meine jetzige Tätigkeit als Genesungsbegleiter. Ich versuche, meinen Lesern ein Angebot zu machen und hoffe, ich biete ein ausreichendes Buffet, dass sich jeder etwas für seine eigene Genesungsgeschichte daraus nehmen kann.
„Langsam kommt die Zeit zum „aber“ zu kommen…“
Es gibt ja immer ein „aber“ und in dem Fall ist das hier schwierig in meinem Kopf zu ordnen.
Immer häufiger erwische ich mich bei dem Gedanken, wohin mich mein kleines Projekt hier führt.
Ich sage bewusst „kleines Projekt“. Denn obwohl ich hier mit großen Gefühlen arbeite, ist mir klar, dass ich nur eine handvoll Leser habe. Wenn es hochkommt, lesen vielleicht (neben der Redaktion), drei oder vier Menschen meine Texte häufig bis regelmäßig.
Dafür opfere ich jeden Tag ein bis zwei Stunden, um den Text zu schreiben und nochmal eine Stunde, um ihn auf der Seite zu setzen und dann redaktionell zu bearbeiten.
Das ist meine Zeit, die opfere ich gerne – aus oben genannten Gründen. Aber es ist auch die Zeit von Sonja und Alex, die täglich mit mir meine Texte durchgehen und mir geduldig helfen, die Kanten zu glätten, die Grammatik zu bändigen und Schreibfehler zu verbessern. Gerade Sonja hat ihre tägliche Mühe bis zum Rand der Verzweiflung, mit meiner Komma-Faulheit und dem stetigen Drang jedes „das“ mit zu wenig oder zu vielen „s“ zu versehen.
Jeden Tag stehle ich den Beiden Zeit.
Ich bin dabei fordernd und ungeduldig wie ein kleines Kind. Und drohe regelmäßig mit der Veröffentlichung von Guerilla-Texten, also ungeprüften Texten, die sich sowohl der Korrektur, als auch der „liebevollen Zensur“ unserer Redaktion entziehen.
Manchmal denke ich, unsere Administratorin Sonja verflucht heimlich den Tag, an dem sie mir den digitalen Schlüssel in unser Online-Reich gewährt hat.
Natürlich kann ich für mich selber sprechen und auch einstehen, aber ein gutes Lektorat ist letztendlich der Schlüssel zu einem guten – und vor allem verständlichen – Text.
Bis jetzt halten die Beiden meine Kapriolen mit unendlichem Langmut aus.
Und ich liebe diese Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Aber doch schleicht sich hin und wieder die Frage ein, ob ich jeden Tag veröffentlichen muss…
Klar ist, ich habe gesagt: „Solange die Situation uns in die soziale Distanz zwingt, werde ich täglich einen Text schreiben!!!“
Mal wieder eine tolle Ansage, aber wie bereits erklärt, „gesagt ist gesagt“.
Bis jetzt fällt mir auch jeden Tag etwas ein. Manchmal muss ich mich selbst zügeln. Da liegt gar nicht „des Pudels Kern“ wie ihn Dr. Faust in Goethes Stück „Faust“ erkannte.
Das Problem liegt in der Zukunft.
Heute wird entschieden, wie es mit den Schulen weitergeht. Das ist auch ein Meilenstein in der Frage, wie es in der Gesellschaft weitergehen wird. Es wird sich entscheiden, wie lange ein Kontaktverbot noch aufrecht gehalten werden muss.
Aber wann endet mein Versprechen?
Wann ist meine Zeit abgelaufen?
Läppisch würde ich ja sagen, an dem Tag, an welchem ich mit meinen beiden Mit-Erfahrungsexperten wieder zusammen in einem Raum sitze und unsere Arbeit wieder live und direkt stattfindet, ist der richtige Zeitpunkt gekommen.
Aber ist er das?
Und wie soll es weitergehen?
Soll ich hier weiterschreiben?
Und wenn ja, in welchem Rhythmus?
Keine Frage, die Regelmäßigkeit ist gut für mich und hilft mir durch die Zeit, auch wenn ich denke, dass ich eher mehr als weniger Arbeit durch die Krise habe. Aber irgendwann fängt auch wieder mein normales Leben an, mit Terminen und Verpflichtungen.
Schlimmer noch, irgendwann hat die Redaktion auch nicht mehr jeden Tag Zeit (und Lust), sich um mein Zeug zu kümmern.
Meine spontane Antwort ist, ich frage meine Leser und werde dann am Feedback sehen, ob ich überhaupt noch in dieser Form gebraucht werde.
Wenn es keiner liest, habe ich Zeit für andere Projekte.
Ich würde es wahrscheinlich vermissen, aber irgendwann kommt etwas Neues.
„Letztendlich ist der ganze Gedankengang sowieso eine innere Farce!“
Zur Zeit schreibe ich und gaukele damit mir selbst und auch anderen vor, dass ich einen Beitrag leiste.
Ich verkünde großspurig, dass ich in mein Arbeitszimmer gehe und meine Arbeit verrichte. Ich sage mir, dass diese Form meine geeignete Form ist, Genesungsbegleitung durchzuführen.
In Wirklichkeit arbeite ich nicht. Ich schreibe den Mist aus meinem Kopf zusammen, würge ihn auf ein Blog-Format und nötige meine beiden besten Freunde dazu, den Schrott auch noch in etwas Nutzbares zu verwandeln.
Ich suhle mich in meinen Eitelkeiten und befriedige mein inneres Künstlerteam mit der Vorstellung, jetzt Autor zu sein.
Das ist nicht wirklich Arbeit.
Und wie zum Beweis bewegt sich da auch nichts auf meinem Konto.
Letztendlich drücke ich mich mal wieder vor der letzten Konsequenz.
Seit über einem Jahr nehme ich mir vor, mein erlerntes Wissen zum Wohle Aller (einschließlich meines Bankkontos) einzusetzen.
Ich habe auch ein gutes Vorbild in Sonja. Aber ich gehe diesen Schritt einfach nicht.
Meine eigene Angst steht mir im Weg.
Was ist, wenn ich versage?
Woher soll ich überhaupt Klienten bekommen?
Was habe ich meinen Klienten zu bieten?
Klar habe ich ein paar großspurige Ideen, aber die habe ich immer. Nur wenn es „ans Eingemachte“ geht, da hört der Bär auf zu brummen und die Maus zieht den Schwanz ein.
Ich könnte jetzt in dieser Minute an Konzepten sitzen. Oder meine eigene Homepage gestalten und meinen Auftritt als freiberuflicher Genesungsbegleiter planen. Ich könnte einfach konstruktiv an meiner Zukunft arbeiten.
Statt dessen rede ich mir ein, dass ich ein Versprechen zu erfüllen hätte und meine Texte, die ich hier schreibe, mehr als nur ein nettes Beiwerk für meine Leserschaft sind.
Manchmal träume ich davon, dass „der Richtige“ meine Texte liest und ich endlich die Anerkennung bekomme, die ich verdiene.
Ja, die ganze Mühsal, von zwei Wochen „Worte aneinanderreihen“. Jeglicher Autor bekäme jetzt fett das Grinsen.
Wenn mich einer meiner Leser demnächst mal auf eine Currywurst mit Pommes einlädt, um sich für die Unterhaltung zu bedanken, wäre ich quasi überbezahlt.
Und dann will ich noch Kohle kassieren, dafür, dass ich Andere begleite.
Eigentlich müsste ich Menschen dafür bezahlen, dass sie mich aushalten, nicht andersrum.
Klar, manchmal gebe ich einen guten Tipp. Von Zeit zu Zeit kann man mich auch als Lexikon oder zu Recherchezwecken nutzen.
Ich kann mich auch gut in anderer Menschen Problemlage hineindenken, ohne mich darin emotional zu verstricken.
Ja, das kann ich wirklich. Früher dachte ich, ich wäre ein Naturtalent, was das richtige Maß an Nähe und Distanz betrifft.
Heute weiß ich, dass ich viel wahrscheinlicher ein funktionaler Soziopath mit einem schauspielerischen Talent bin.
Egal, ich kann mich reindenken und das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Manchmal ganz praktisch.
Aber reicht das, um jemandem dafür Geld abzuverlangen – ich glaube eher nicht.
Gut, jetzt könnte man argumentieren, dass ich gar keinen Bedarf für mein eigenes Produkt habe und daher auch nicht den Wert einschätzen kann, aber das hilft mir auch nicht weiter.
Und wenn ich diejenigen, die mich motivieren wollen, direkt frage, ob sie mich engagieren würden, sehe ich die Antwort schon in der ablehnenden Körpersprache.
Wieder mal zweifele ich hochgradig an meinen Kompetenzen.
Wieder mal versaue ich mir eine Anerkennung meiner Kompetenzen durch meine Persönlichkeit.
Schon wieder habe ich das Gefühl, der Zug ist vor einigen Minuten für mich abgefahren – „Tuff, Tuff“ und „Winke, Winke“…
Also schlängel ich mich zurück über das Bahngleis, haue meinen Kopf noch ein-zweimal an den Pfeiler, der die Gleise trennt und lande trotzdem niemals rechtzeitig auf dem „magischen“ Gleis.
Jetzt sitze ich hier mit meiner mentalen Beule und müsste eigentlich ein Glas Hochprozentiges neben mir stehen haben, um in Suff und Melancholie zu versinken.
„Nichts da, Versprochen ist Versprochen!“
So kann und darf mein Text nicht enden.
Das hier ist Mausbär‘s Philosophie und nicht das Bärenjammertal.
Klar möchte ich irgendwann die Ehrendoktorwürde, aber nicht von der „Akademimimi“.
Jetzt wird nochmal Energie rausgedrückt, ich trete einigen Mitgliedern meines inneren Teams in den Hintern und zwinge mein inneres Orchester den Song „Eye of the Tiger“ anzustimmen.
Oder noch besser, meinen Lieblingssong aus der großartigen Swing-Zeit „Swing on a Star“. Da heißt es im Refrain:
„Or would you like to swing on a star
Johnny Burke/ Jimmy van Heusen
Carry moonbeams home in a jar
And be better off than you are…“
Frei übersetzt, ist es die Frage, ob man gerne auf Sternen tanzen, den Mondschein einfangen und generell mehr aus sich machen will. Die passende Antwort gibt es am Ende des Songs:
„And all the monkeys aren’t in a zoo
Johnny Burke/ Jimmy Van Heusen
Every day you meet quite a few
So you see it’s all up to you
You can be better than you are
You could be swingin‘ on a star“
Wunderschön bringen es die Songwriter Johnny Burke und Jimmy Van Heusen auf den Punkt – es liegt alles an uns, wir können besser werden, als wir sind und auf den Sternen tanzen.
Jedem, der sich mir gegenüber so geäußert hätte, wie ich den ganzen Text gejammert habe, hätte ich versucht darauf hinzuweisen, dass es letztendlich doch eine Frage der Einstellung ist.
„Ein mutiger Mensch kann nichts verlieren, ein ängstlicher Mensch hat bereits verloren.“ Das stand mal in einem Glückskeks.
Also habe ich bereits verloren. Aber bin ich deshalb verloren?
Ich denke nicht!
Und wenn ich es schaffe, mich davon zu überzeugen und damit wieder auf dn Weg komme – zur Not dem Zug mit einer Draisine folgend, dann bin auch ein guter Genesungsbegleiter.
Jetzt, nachdem ich meine Seele zu zarter Swingmusik wieder sanft in grüne Tücher gewickelt habe, geht es mir besser.
Vielleicht hilft dieser Text ja auch da draußen dem einen oder anderen, sei es als Gedankenanstoß, oder nur als schlechtes Beispiel.
Und wer endlich wissen will, was es mit den grünen Tüchern auf sich hat, dem rate ich fleißig weiter meine Texte zu lesen, denn irgendwann wird es auch dazu eine mausbärische Erklärung geben.
Nachdem ich mich jetzt an meinem, langsam länger werdenden Schopf, erfolgreich selbst aus dem Sumpf meiner Depressionen gezogen habe, verbleibe ich .
mit wagemutigem Gruß,
Euer Mausebär, Freiherr von Münchhausen (Süd) (a.k.a. Thorsten Dürholt)
2 Kommentare
MoinThorsten.
erst mal nur ganz kurz,später komt mehr, „VERSPROCHEN“
Wage es ja nicht einfach so, wann auch immer, hiermit auf zu hören.
Ich würde es vermissen.
Kann vieles in deinem Text nachvollziehen.So vieles das ich mir das alles noch öfter als eimal durchlesen und in abschnitte aufteilen muss,(wie ich es meistens tue wenn ich nen kommentar schreib)
Angemessen darauf ein zu gehen.Das mit den Komementaren, ist von mir mindestens so Pralerisch wie dein bezug auf dein Autorentum(n)
Also bringe ein wenig von dem auf wo du,laut eigener Aussage nur wenig besitzt, nämlich, Gedult.
Lieben Gruß
Gandalf.
Dein Angebot ist ausreichend,jedenfalls für mich, ich finde fast immer was, das ich für mich verwenden kann.
Da keiner von uns die Zukunft kennt, ist diese frage wohl unumgänglich, wenn man sein Arbeit ernst nimmt.
Frustet?
Glaub ich nicht,die beiden sind Manns, Frau genug um selber zu entscheiden mit und wofür sie ihre Zeit nutzen.Ich glaube die beiden gut genug zu kennen um das so zu schreiben.(wenn nicht werden sie mich fürchterlich strafen)
Ich denke das muss nicht (auch wenn ich jeden Tag gespannt drauf warte) ,auch dem Großen Bären tut hin und wieder eine Pause gut.
GANZ KLAR JA!
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.
Du definierst das Wort Arbeit nicht richtig. Nirgendwo steht das Arbeit nur das ist wofür man Geld bekommt. Der Mann der einen Stuhl Baut und dafür Geld bekommt arbeitet. Der Mann der es aus reiner Freude macht,arbeitet nicht? Er macht die gleichen Handgriffe wie der andere, er wendet die gleiche kraft auf wie der andere, er ist genauso Müde wie der andere.
Ich hab mal einen in einer Therapie gebaut, Jung dat is Arbeit!
Andere tun das für weit weniger.
Och Thorsten…..Du weiß doch das die Chemie passen muss, und nicht nur die Kompetenz entscheidet.
Weil, es dieses nicht gibt.
Alle Wege führen nach Rom, du muss nur entscheiden ob du da hin willst.
Liebe Grüße
Gandalf