Glaubensfrage
Heute werde ich mal wieder ein wenig nachdenklich und schreibe über ein heikles Thema. Wenn es um Glauben geht, dann spalten sich die Geister und nicht umsonst ist die Geschichte der Menschheit voll von sogenannten Glaubenskriegen.
Das größte Problem ist, das glauben eine Sache ist, über die sich schwer, bis gar nicht diskutieren lässt.
nein, das ist völlig falsch, man kann vortrefflich über den Glauben diskutieren, gerade, weil es so viele offenen Themen dazu gibt, aber es wird immer dann problematisch, wenn jemand in seinen inneren Glaubenssätzen erschüttert wird.
Ein Teil des Problems ist, dass die Grenze zwischen Glauben und Wissen sehr unscharf ist (und sehr persönlich bestimmt). Vieles von dem, was wir glauben zu wissen ist halt doch einfach nur Glaube.
Es liegt in der Problematik mit dem Wahrheitsbegriff und der komischen Sache, dass eine absolute Wahrheit außerhalb des Erkenntnishorizontes des einzelnen Menschen liegt. Oder anders gesagt, da wir auf unsere eigenen (fehlbaren) Sinne beschränkt sind, können wir eine absolute und unbegrenzte wahrheit gar nicht erfassen. Es ist dasselbe wie mit den Begriffen von Unendlichkeit und Ewigkeit, wir haben eine Vorstellung davon, aber keine Erfahrungswerte, die uns helfen würden, diese Dinge zu begreifen.
Letztendlich ist das gesammelte Wissen der Menschheit sehr umfangreich (mehr als ein einzelner Mensch erfassen kann) und doch ist es nur die Spitze des Eisberges. Jedes Jahr vergrößert sich der Wissensschatz der Menschheit signifikant. Geschätzt ist es eine Eigenart des Informationszeitalters, in dem wir uns befinden, dass sich der Umfang des Wissens der Menschheit alle zehn Jahre verdoppelt. Unmengen nützliches, partiell nützliches und selten nützliches Wissen häufen sich zu einem Berg, den man weder erfassen, noch besteigen kann. Und war es in der Vergangenheit noch möglich, das es sogenannte „Universalgelehrte“ (wie Freiherr von Goethe oder Leonardo da Vinci) gab, so ist das vom heutigen Umfang der Lehre nicht mal ansatzweise mehr vorstellbar.
Defakto erschlägt uns die riesige Menge an Daten und Fakten, die wir als Wissen bezeichnen und wird auch noch durch teilweise widersprüchliche (oder scheinbar widersprüchlich Dinge, sogenannte Paradoxien) Erkenntnisse und voreilige Fakten (oder falsch dargestellte Fakten) immer undurchsichtiger.
Der Prozess der intellektuellen Globalisierung kehrt sich jetzt um, weil das Gesamtwissen einfach zu Umfangreich ist, und sich so ganze Gruppen von Menschen nur noch einem Teilbereich zuwenden und darin ihre Wahrheit sehen.
Es ist also nahezu unmöglich eine universelle Wahrheit zu formulieren (die Suche dauert noch an) und dennoch gibt es viele Ansätze ein Bild der Wahrheit zu malen.
Früher lag die Wahrheit im Glauben und der Mensch braucht seinen Glauben, um sich die Welt zu erklären und in dem täglichen Wust von Eindrücken und Informationen zurecht zu kommen. Doch glauben ist eine schwere Sache, seit die Aufklärung zugeschlagen hat.
Seit der Aufklärung wurde vielen Menschen klar, dass es nach unseren jetzigen Maßstäben keinen validen Gottesbeweis gibt. Ich will jetzt nicht über die Existenz einer höheren Macht spekulieren, weil ich da ehrlich bin und nur sagen kann, dass ich es nicht weiß. Es gibt keine greifbaren Argumente, die ausschließlich sind.
Religion als Zentrum des Glaubens hat in vielen modernen Kulturen seine Bedeutung als Mittel der Wahrheitsfindung einfach ausgedient (und aufgrund einiger religöser Praktiken auch nicht unbedingt zum Nachteil der Gesellschaft) und einen Platz geschaffen, für ein neues Glaubenskonzept, das der Logik und der Wissenschaft.
Ja, auch Wissenschaft ist ein Glaubensmodell, denn die Wissenschaft beantwortet die höheren Fragen der Menschheit auch mit Modellen, der endgültige Beweisbarkeit nicht gegeben ist. Allerdings ist sich die Wissenschaft dessen auch durchaus bewusst und jeder gute Wissenschaftler würde die Frage nach der Wahrheit mit dem Auftakt „Nach unseren heutigen Erkenntnisstand…“ beginnen.
Die ewige Wahrheitssuche ist der innere Kern des wissenschaftlichen Glaubens und ein absoluter Wahrheitsanspruch ist nicht vorhanden. Im gegenteil sind viele Wissenschaftler genau in diesem Moment dabei zu versuchen fundamentale Grundlagen der Wissenschaft auf ihre Wahrheit zu prüfen oder zu widerlegen.
Jede wissenschaftliche Theorie ist mehr ein Glaubensmodell als eine Tatsache. Und das ist nichts schlimmes denn es lädt ein, die Welt zu erfahren und selber zu begreifen.
Aber wie jeder Glauben ist es gefährlich sobald es in einer Religion vereint wird. Eine Religion versucht Wahrheitsansprüche geltend zu machen, erschafft unumstößliche Regeln (als Wahrheit ausgegeben) und bekämpft jegliche Konkurrenz. Nichts ist gefährlicher für den Individualismus als organisierter Glaube, wie die Weltgeschichte gezeigt hat.
Gerade der Glaube an eine „Herrenrasse“ oder ein „auserwähltes Volk„, an die „Erlösung“ und an die „Befreiung der Ungläubigen von ihrem falschen Glauben„, haben in der Weltgeschichte viel Unheil angerichtet.
Leider schweißt nicht eine heterogene Gemeinschaft von Menschen zu einer homogenen Gruppe von Gläubigen besser zusammen, als eine äußere Bedrohung; ein gemeinsamer Feind. Und so ist jeder religiöse Führer stets bemüht ein äußeres Bedrohungsszenario aufzubauen und zu pflegen.
Wir reden hier nicht nur von der Befreiung des heiligen Landes (während der Kreuzzüge) oder den heiligen Jihad des Propheten, sondern auch der Glaube an das tausendjährige Reich, der Zerstörung des Kommunismus/ Kapitalismus oder andere Gedankenbilder, unter derem Schrecken tausende von Menschen leiden mussten.
Heutzutage sind diese Schrecken immer noch vorhanden, auch wenn es in der Vielfalt der Meinungen (und damit der Glaubenssätze) eher kleinere Gruppen sind. Seien es ewig gestrige Nazis, Leute die sich einer „Umvolkung“ ausgesetzt fühlen, oder weltverbessernde Veganer oder sogenannte „woke“ Aktivisten.
Ja, in jedem steckt der Wunsch für eine bessere Welt, der Kampf für die Wahrheit (oder das was man dafür hält), doch genau solche Kämpfe sind das , was mir Angst bereitet. Die Bereitschaft für seine eigenen Glaubenssätze (die man als Fanatiker für die Wahrheit hält) Opfer zu bringen, und zwar zumeist in Form von geschädigten „Andersgläubigen„.
Es ist mein innerer Glaubenssatz, das diejenigen, die für die Wahrheit kämpfen, meist meilenweit von der selbigen entfernt sind. Die Wahrheit will nicht erkämpft werden, sondern erlebt und entdeckt. Und das geht wesentlich einfacher, wenn man nicht bedroht wird.
Der Austausch, der Dialog und auch wohlmeinende Diskussionen sind Möglichkeiten, sich der Wahrheit immer mehr anzunähern und den eigenen Hunger nach inneren Entfaltung zu stillen.
Letztendlich ist an der Suche nach Erkenntnis, Erleuchtung und innerer Wahrheit nichts Falsches. Im Gegenteil, ich halte es für einen wichtigen Teil des Lebenssinnes. Doch sollte man diese Suche für sich selber führen, den jeder mensch, der einen zur sogenannten Wahrheit führen will, ist letztendlich nur ein neuer Führer, der Gefolge sucht und (noch wichtiger) ein Lügner.
Offenheit, Austauch und Gemeinschaft von vielen Gedanken macht eine aufgeklärte Gesellschaft aus und ist der Weg zur Fortschritt, Friede und eine besser Welt, das ist Teil meines inneren Glaubens. Dem braucht niemand zuzustimmen, aber ich freue mich, wenn sich jemand mit mir darüber in gemeinschaftlicher Art austauschen will.
Ein wenig Bewusstsein über Glaube und Wissen suchen ist übrigens eine tolle Wochenendbeschäftigung, also gönnt euch den Spaß und hinterfragt mal was.
Viel Spaß dabei, wünscht,
Euer Mausebär
2 Kommentare
Hi, wir können darüber gerne mal on Kopräsenz diskutieren. Bei diesem Thema glaube ich, von dir sehr zu profitieren (im Sinne eines Erkenntnisgewinns für mich), gerade weil du einen anderen Standpunkt hast, als ich (in Sachen Gott). Es würde mich freuen, wenn wir mal zum Thema heiter debattieren können. Wenn es für dich dann auch heiter ist und/oder deine Gedanken weiter bringt, würde mich das sehr freuen.
Liebe Grüße,
PiA
Ja, gerne würde ich mit Dir zu dem Thema in einen wohlmeinenden und unterhaltsamen Austausch gehen.
Ich denke wir können da viele wertvolle Gedanken miteinander teilen.