Der Weg durchs Leben
Heute möchte ich einen weiteren Gastbeitrag unseres guten Freundes Udo Klingen veröffentlichen, der uns schon viele Kommentare unter dem Pseudonym „Gandalf“ sowie einige Artikel geschrieben hat.
Er beschert uns hier ein Musterexemplar dessen, was auch oft als „Heldenreise“ bezeichnet wird und bei uns ein Teil der Schatzkisten-Themen ist.
Genießt also mit mir sein kleines Juwel.
Eure Sonja
Der Weg durchs Leben
Einst wanderte ich einen Berghang hinauf. Eiskalte Stürme zerrten mit großer Kraft an meinem Körper. Sie peitschten mein Gesicht mit eiskaltem Regen und Hagel.
Doch unverdrossen ging ich weiter. Nicht mal die Blitze, die um mich herum einschlugen und alles in rauchende Asche verwandelten, konnten mich aufhalten. Meine Kraft war schier unüberwindlich.
Ich lachte diesen Stürmen ins Gesicht.
Ich forderte sie heraus.
Ich brüllte ihnen entgegen. „Is dat Alles, mehr habt ihr nich drauf?“
Und die Stürme ließen nach, Hagel und Eisregen, wurden zu einem leichten Nieselregen. Bis auch dieser aufhörte und die Strahlen der Sonne sich durch die Wolken bahnten.
Ich machte eine Rast und labte mich an dem, was ich in meinem Großen Rucksack mitgebracht hatte. Ich schaute nicht zurück, mein Blick war nur nach oben gerichtet. Ich sah den Gipfel des Berges, es war noch ein gutes Stück Weg, das ich zu bewältigen hatte. Also ging ich weiter, ich wollte da rauf, ich machte keine Pause mehr, bis ich den Gipfel erreichte.
Endlich oben angekommen, legte ich mich in die Sonne und genoss die Düfte, die der leichte Wind mir zutrug. Ich schloss die Augen und gab mich dem Gefühl hin, richtig was geschafft zu haben.
Nur kurz schaute ich zurück, warum auch länger hinschauen, da war ich doch schon überall.
Vor mir lag ein wunderschönes Hochplateau, mit saftigen Wiesen in denen die schönsten Blumen blühten und mit kleinen Wäldern, in denen sich allerlei Getier bewegte.
Ich wollte dieses Plateau erforschen, es schien endlos groß zu sein.
Also schulterte ich wieder meinen Rucksack und wanderte über dieses Plateau.
In sanften Schwüngen wand sich der Weg über das Plateau und führte mich zu einem der Wäldchen, ich ging hinein.
Doch was von weitem so schön und friedlich wirkte, war voller Gefahren, die man durch die zahlreichen Büsche und Bäume nicht sehen konnte. Die Tierstimmen, die sich aus der Ferne so harmonisch anhörten, klangen in dem Wald ganz anders.
Hier waren sie laut und bedrohlich und zum ersten mal auf meinem Weg bekam ich ein mulmiges Gefühl. Also machte ich eine weitere Rast und öffnete meinen Rucksack.
Wollte mich mit dem Inhalt erneut stärken.
Doch all der Proviant war verdorben.
Glücklicherweise traf ich auf andere Wanderer.
Sie sprachen mir Mut zu, zeigten mir den Schnellsten weg aus dem Wald und füllten meinen Rucksack, während ich für einen Moment eingenickt bin.
Als ich erwachte, war ich wieder allein, ich schulterte den Rucksack im Vertrauen, dass mir Gutes mit auf meinen weg gegeben wurde. Doch der Rucksack war sehr schwer und zerrte bereits nach wenigen Schritten an meinen Schultern.
Aber ich gab nicht auf, ich wollte doch die guten Dinge, die mir gegeben wurden, nicht wegwerfen. Ich riss mich zusammen und ging schweren Schrittes weiter.
Mir lief der Schweiß in die Augen und ich sah den Weg nur noch verschwommen.
Ich musste wieder rasten, ich wollte den Rucksack ablegen und mich am Inhalt bedienen. Doch irgendwie schaffte ich es nicht, den Rucksack ab zu schnallen, er hatte sich in meiner Kleidung verfangen. Ich torkelte unter der Last hin und her, kam vom Weg ab, schlug mich mit aller noch zur Verfügung stehenden Kraft durch das immer dichter werdende Gestrüpp.
Plötzlich sah ich vor mir eine Lichtung. Ich kämpfte mich weiter durch das dornige Gestrüpp und durchbrach schließlich den letzten Wall der Dornenranken.
Doch ich hatte nicht den Abgrund gesehen, der vor der Lichtung lag. Ich stürzte und mein schwerer Rucksack beschleunigte meinen Sturz. Nach einem scheinbar endlos langen und tiefen Fall schlug ich hart am Boden einer dunklen Schlucht auf.
So einiges in mir wurde schwer verletzt, viele Knochen waren gebrochen.
Ich lag am Boden und hoffte nur noch zu sterben, damit der Schmerz vergeht.
Wie durch Watte hörte ich Geräusche, konnte sie aber noch nicht einordnen. Zu schwer waren meine Verletzungen. Ich verlor das Bewusstsein, ich konnte nicht die Augen öffnen, als ich wieder Geräusche vernahm.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da lag.
Ich weiß nicht, wie oft ich Geräusche hörte, manchmal öffneten sich meine Augen einen Spalt und ich sah schemenhafte Gestalten, doch immer wieder verlor ich das Bewusstsein bevor ich es ganz erlangen konnte.
Aber mit jedem mal erwachte ich ein wenig mehr und konnte mehr von dem, was um mich herum geschah, wahrnehmen.
Die Schmerzen ließen nach, der Boden, auf dem ich lag, war weich und warm und ich spürte eine Decke, die mich wärmte.
Ich fühlte sanfte Hände, die meine Wunden versorgten, die mich mit kräftigenden Speisen fütterten, die mir vorsichtig warme Getränke gaben.
Ein vorsichtiges Wohlgefühl breitete sich in mir aus, ich wurde vom Bett, in dem ich zu mir kam, in einen Rollstuhl gesetzt und man ging mit mir an die frische Luft. Ich saß auf der Veranda und schaute auf die herrliche Landschaft, die sich wieder vor mir ausbreitete.
Mit saftigen Wiesen und den schönsten Blumen.
Während meine Verletzungen heilten, kam hin und wieder eines der Kinder und jungen Leute zu mir, setzte sich neben mich und fragte mich nach dem Weg, den sie gehen sollen.
Meine Antwort war jedes mal: „Ich weiß es nicht, es ist Dein Weg“ und dann erzählte ich meine Geschichte.
Es grüßt euch, meine lieben,
der gute Alte
Gandalf (aka Udo Klingen)
Lieber Udo,
ich danke Dir für Deine Geschichte.
Für alle, die nicht wissen, was eine „Heldenreise“ ist, sei kurz erwähnt, dass diese Technik in Modul 4 der EX-IN Kurse zum Genesungsbegleiter verwendet wird. Unter dem Titel Recovery als „Heldenreise“ beschreibt sie die Entwicklung des Menschen durch die individuellen Erfahrungen seines Lebens, die hin zu einem neuen Leben oder auch hin zu einer neuen Sicht und einer neuen Bewertung seines Lebens führt und diese Erfahrung mitteilbar macht.
Genau so, wie Udo es beschreibt mit „und dann erzählte ich meine Geschichte“.
Liebe Grüße, Sonja
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