Fachtagung Recovery College Gütersloh
Ein Modell für die Zukunft?!
Am Freitag den 11.Oktober hatte ich das vergnügen, zusammen mit Thorsten den Fachtag „Recovery College – Ein Modell für die Zukunft“ in Gütersloh zu besuchen.
Es war ein sehr langer Tag, denn im Anschluss wurde auch das Fünfjährige Jubiläum des Recovery College Gütersloh noch gefeiert.
Andrea Zingsheim und Jared Omundo führten durch das Tagesprogramm, das einen ausführlichen Einblick in die Entwicklung der Recovery College Landschaft in Deutschland und der Schweiz bot. Für das leibliche Wohl war ebenfalls von der ersten bis zur letzten Minute gut gesorgt.
Schon gleich bei der Begrüßung im ersten Vortrag hatte Prof. Dr. Klaus-Thomas Kronmüller die Lacher auf seiner Seite, als er sich als Leiter des Recovery Colleges vorstellte und erwähnte, im Nebenberuf auch ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik in Gütersloh zu sein. Zusammen mit Andrea Zingsheim präsentierte er das einführende Thema „An Recovery Colleges führt kein Weg vorbei“.
Sie stellten heraus, dass die Welt von vielen Menschen immer fragmentierter, unsicherer, komplexer und vieldeutiger wahrgenommen wird und die Menschen sich zunehmend verletzlicher fühlen. Viele verunsichernde Themen beherrschen unseren Alltag und tragen nicht dazu bei, sich sicher und geborgen fühlen zu können.
Seelische Gesundheit ist Lernbar
Während vielen Menschen bewusst ist, dass man für die eigene körperliche Gesundheit etwas tun muss, damit sie erhalten bleibt, herrscht bei der Betrachtung der psychischen Gesundheit eine eher fatalistische Haltung vor. Man hat sie, oder eben nicht. Dass es möglich ist, aktiv etwas für das seelische Gleichgewicht tun zu können, ist vielen Menschen nicht bekannt.
An dieser Stelle setzen Recovery Colleges an. Sie verstehen sich als ein Bildungsangebot für jeden Menschen, nicht nur für die, die schon eine Diagnose haben.
Unter dem Ansatz, dass seelische Gesundheit Lernbar ist, stellt das Recovery College einen Lernort, einen Ort der Begebung, der Inklusion und des Zusammenführens von Erfahrungswissen und Fachwissen dar. Ein einzigartiger Ort, mehr über sich selbst zu erfahren.
Recovery Colleges sind ein Puzzleteil in der Gesellschaft, das die eigene seelische Gesundheit in den Menschen weckt und fördern hilft. Hierzu werden alle Beteiligten am Gesundungsprozess mit einbezogen. Betroffene selbst, nahe Angehörige, das Umfeld, die Gemeinde, genau so wie die Profis aus der Psychiatrie und den angrenzenden Bereichen werden mit einbezogen.
Vernetzung
Recovery Colleges sind Teil einer internationalen Empowerment Bewegung, die nun auch im deutschen Sprachraum angekommen ist. Insgesamt dreizehn Recovery-Colleges gibt es aktuell von Bremen bis Bern und es werden hoffentlich noch viele hinzu kommen.
Die Kursprogramme der jeweiligen Colleges sind als Printmedien vor Ort und auch im Netz erhältlich.
- Gütersloh: https://www.rcgt-owl.de/
- Bern: https://www.recoverycollegebern.ch
- Bremen: https://empowerment-college.com/
- Stuttgart: https://recoverycollegestuttgart.de/
- Berlin: https://recoverycollegeberlin.de/
- Köln/Münster: https://www.peer-akademie.de/
Weitere Colleges können im Netz ebenfalls gefunden werden.
Die Wirkfaktoren des Recovery Ansatzes
Mit dem Akronym CHIMEplus werden die wirksamen Bausteine von Recovery als Konzept für die Kurse sehr treffend Beschrieben.
- C für „Connectedness“ – Beziehungen der Menschen zueinander
- H für Hope – Hoffnung und Zuversicht
- I für „Identity“ – Identität
- M für „Meaning – Sinn & Bedeutung
- E für Empowerment und Selbstwirksamkeit
Diese werden nun in den deutschen Recovery Ansätzen ergänzt um die „plus“ Bausteine
- Körperlichkeit
- Möglichkeiten
- Stabilität und Sicherheit.
Die angebotenen Kurse bauen auf einem oder mehreren dieser Ansätze auf und werden ergänzt durch Kurse, die die Grundlage von CHIMEplus den Teilnehmenden näher bringen und neue Perspektiven eröffnen.
Die Kurse werden in enger Zusammenarbeit von Menschen mit Wissen durch Berufserfahrung und Menschen mit Wissen durch Erleben gestaltet. Jedes College hat hier seine eigene Handschrift, aber viele Kursangebote werden durch die gemeinsame Weiterentwicklung der Konzepte auch für mehrere Colleges nutzbar.
Die Colleges haben eine gemeinsame Broschüre herausgegeben, die die Haltung der Beteiligten aufzeigt und einen Leitfaden für die Gründung neuer Recovery Colleges bietet: https://www.rcgt-owl.de/informationsmaterial/
Und was macht dieser Tag mit mir?
In erster Linie fühle ich mich informierter als vorher. Ich bin aber auch neugierig geworden, an Recovery Colleges teilnehmen und eventuell mitwirken zu können. Viele Kurse werden nach wie vor auch online angeboten, so dass die räumliche Entfernung eine Teilnahme nicht hindert.
Ich kann jedem, der etwas über seelische Gesundheit lernen möchte, einen Kurs in einem Recovery College seiner Wahl empfehlen. Wie ich hörte, bleibt es bei vielen nicht bei einem einzelnen Kurs.
Nach diesem wunderschönen und interessanten Tag wankte ich wie üblich ins Bett und brauchte einige Tage, um wieder wie gewohnt zu funktionieren. Aber das ist nun einmal so bei Fachtagen.
Alles Liebe
Sonja
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