Im falschem Film – Wie eine Komödie zur Tragödie wird

Nach einem eigentlich humorigen Film fährt der Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt) einen ganz komischen Film und schreibt schnell darüber, um die Gedanken bloß loszuwerden (Pfui, Bäh)

Ich habe eben einen Film gesehen.
Ja, einen Film, dessen DVD mein eigenes Ostergeschenk war – jetzt habe ich ihn endlich in den Player gesteckt.
Welcher ist ziemlich egal, weil für den Kontext nur wichtig ist, dass er sich über die Reboot-Welle der letzten Jahre lustig macht.
Dutzende von Filmen aus meiner Kindheit und Jugend, werden seit einiger Zeit neu gedreht und aufpoliert wieder in die Kinos gejagt. Gerade vor Klassikern wird da kein Halt gemacht. Sehr zu meinem Leidwesen, obwohl die sogenannten „Klassiker“, bei erneuter Betrachtung, auch nicht mehr so toll sind, wie ich sie damals empfand.
Manch ein Reboot ist großartig und setzt meine geliebten Geschichten auf originelle Weise neu um.
Andere Reboots sind eher zum abgewöhnen, werden doch lieb gewonnene Erinnerungen abgeschlachtet und als Dreck neu verwurstet.
Dass niemand das Rad neu erfinden kann und die gleichen Geschichten im neuen Gewand erzählt werden, ist auch gar nicht mein Problem. Auch die, sagen wir, mal Qualität nicht, das ist und bleibt Geschmackssache und eine Diskussion über Geschmacksfragen ist wie einem wilden Bullen an die Testikel zu fassen – einfach nicht zielführend (und am Ende weint einer).
Deshalb will ich mich auch gar nicht solange bei dem Film aufhalten, sondern bei einem unangenehmen Gefühl.
Es wurde immer wieder darauf herumgeritten, dass die Quelle des Filmes bei einer Reihe von Filmen aus den 90er Jahren stammt.
Das war quasi meine Zeit.
Der größte Teil meines Geschmackes (wenn man das so nennen will/darf bei, einem bekennenden „Bad-Taste-Junkie“), entwickelte sich im Übergang von den 80er in die 90er Jahre. Damals war ich auf der Suche und fand literarische, musikalische und cineastische Vorbilder. Wobei „Vorbild“ dabei ein recht großes Wort ist, wenn ich an manche meiner jugendlichen Geschmacksverirrungen zurückdenke.

Die Jahre flossen an mir vorbei und heute musste ich erschreckt feststellen, dass wir das Jahr 2020 haben.

In meiner Jugend gab es noch Science-Fiction-Geschichten, die in den 2020er Jahren spielten und, viel wichtiger auch eines meiner Lieblings-Rollenspiele aus den 80er Jahren.
Ganz still und heimlich sind einfach mehr als 20 Jahre an mir vorbei geflossen und ein Teil von mir klammert sich immer noch daran, der wilde Teenager aus den 90er Jahren zu sein (nur in fett, unattraktiv und unsportlich, wie Bilder von mir beweisen).
Dann sehe ich einen Film mit den selben Köpfen von damals und erschrecke – gerade bei den schlechten Schönheitsoperationen von Sylvester Stallone und ähnlichen…

Dinge haben sich weiterentwickelt.
Junge coole Schauspieler von früher spielen jetzt als alte Säcke an der Seite ihrer ausgewachsenen Töchter.
Ein wenig hat mich das erschreckt, weil ich unweigerlich Bilanz zog. Ich suchte – und suche auch gerade – in meinen Erinnerungen nach den Highlights der letzten 20 Jahre.
Welche Spuren habe ich seit Anbeginn dieses Jahrtausends in der Welt hinterlassen?
Im Jahre 1999 vollendete ich mein 23. Lebensjahr. Alt genug, um als erwachsen zu gelten, Zeit genug sich zu orientieren.
Was hatte ich vorzuweisen?
Quasi nichts.
Eine junge Ehe, eine mildere Drogenkarriere, eine eher schlechte Hochschulreife und ein absolut ver-exkrementetes Sozialexperiment namens Bundeswehr.
Meine ersten Erfahrungen im Scheitern waren absolviert – wenigstens darin begann ich eine steile Profikarriere.
Aus diversen Gründen war ich Ende der 90er mit meiner Frau Untermieter ihres Ex-Freundes, der aufgrund seiner neuen Beziehung (mit eigener Wohnung) seine Wohnung lediglich als Lager benutzte.
Meine Frau hatte einen Job bei besagtem Ex-Freund, der gerade mit Freunden ein eigenes Unternehmen gegründet hatte.
Ich war, soweit ich mich erinnere, noch an der Universität in Essen eingeschrieben und verbrachte meine Tage mit Rauschmitteln und Fantasiegebilden in meinem eigenem Kokon.

Das Millennium kam.
Der Millenniumsvirus hätte alle meine inneren Uhren auf Null drehen sollen. Der Silvesterabend 1999 war erstaunlich nüchtern (im Gegensatz zu mir) und das Jahr begann exakt da, wo das Alte aufhörte.
Es folgten 20 Jahre meines Lebens, also ca. 7.300 Tage (ohne die ca. 4-5 Tage für die Schaltjahre).
7.300 Chancen, zu mindestens meine kleine Welt zu verändern.
Was habe ich mit der Zeit getan?
Früher gab es mal den Spruch, dass ein Mann drei Dinge in seinem Leben erledigen sollte:

  • Ein Haus bauen
  • Ein Kind zeugen
  • Ein Buch schreiben (oder auch einen Baum pflanzen)

Davon habe ich schon einmal nichts erledigt.

Zum Glück für die Menschheit, habe ich meinen Samen nicht auf fruchtbare Äcker ergossen.
Folgerichtig musste auch kein Kind unter mir als Vater leiden. Das meine ich nicht zynisch, denn ich denke ich wäre kein guter Vater.
Mir fehlen essentielle Fähigkeiten, wie zum Beispiel ausreichend Empathie und Mitgefühl. Ich wäre auch zu ungeduldig und selbst bezogen.
Ich weiß nicht, wie ich mir einen Vater wünschen würde, da ich selber keinen hatte.
Aber ich bin mir sicher, mich hätte ich nicht gern als Vater gehabt.
Da ich keine Geschwister habe, geht mein Ast des Familienstammbaumes mit mir unter, unwiederbringlich.

Ich werde niemals ein Erbe hinterlassen, sondern die kapitalistischen Wölfe dürfen meinen Leichnam fleddernder Weise zerfleischen. Es gibt ja auch nicht viel Materielles zu vererben.
Mein Großvater hat das Haus erbaut, in dem ich wohne, meine Mutter hat den Umbau und Ausbau gestemmt und mein Stiefvater hat Zeit und Arbeit hineingesteckt.
Nach dem Tod meiner Mutter werde ich das Haus erben und wie ich mich kenne, wird es verfallen und langsam mit mir wegsterben, wenn ich den Besitz überhaupt solange halten kann.

Das bringt mich zum Punkt Hausbau.
Das wird wohl nichts.
Ich habe es innerhalb von mittlerweile mehr als zwei Jahren, in denen ich plane, nicht geschafft, den Anbau eines Aufzuges zu organisieren, um meine Frau aus der Wohnung bringen zu können.
Ich behaupte, dass ich meine Frau liebe und bringe nicht einmal zustande, mehr als eine Idee zu dem Projekt beizutragen.
Das macht mich nicht gerade zum guten Ehemann, noch nicht mal zu einem passablen Exemplar.
Dass ich selber nach fast zwei Jahren gerade erst begonnen habe mich häuslich einzurichten und etwas an der Ästhetik meiner Wohnsituation zu verbessern, ist einfach mein Problem. Ich darf mir selbst soviel Wert und Aufmerksamkeit zubilligen, wie ich will.
Aber meine Frau in einem Zustand von ständigen Improvisationen und “es wäre schön, wenn…“ zu halten, ist unfair und beschämt mich.

Das bringt mich auch zu der Zwischenfrage, ob ich ein guter Ehemann war, oder bin?
Die klare Antwort kann nur ein „Nein“ sein.
Ich bin ein egoistischer Drecksack, der weder zum Haushalt, noch zum Haushaltsgeld, irgendwas Größeres oder Regelmäßiges beigetragen hat.
Selbst als meine Frau arbeitete, war ich der schlechteste Hausmann, den man sich vorstellen kann.
Meine Frau war eine Göttin. Selbst zu Zeiten, als sie selber in der Psychiatrischen Klinik war, versuchte sie mich stets zu motivieren und zu unterstützen. Sie hat mich immer verteidigt, unterstützt und versorgt.
Wir hatten keine Symbiose, denn rückwirkend fühle ich mich wie ein Parasit.

Und jetzt schaffe ich es nicht mal, einen „verkoitusten“ Aufzug zu organisieren, damit man sie im Rollstuhl mal in den Garten fahren kann.

Da wären wir auch gleich beim Baum.
Ich bin kein Pflanzenfreund.
Bei einem Schulprojekt haben wir mal Bäume gesetzt, um ein Areal aufzuforsten, aber ich glaube, das zählt nicht.
Ich bin eines von jenen Geschöpfen, die weder säen noch ernten und trotzdem von einer höheren Macht ernährt werden, um mal ein sehr beliebtes Buch recht frei zu zitieren.
Gartenarbeit ist nicht meine Welt.
Der Garten, der zum Haus gehört, wird nach dem Tod meiner Mutter zum Mausebär-Gedenk-Biotop verkommen.
Die Nachbarn werden mich hassen.

Das alternative Buch ist auch eine ferne Utopie.
Natürlich kann ich schreiben, jedenfalls ein wenig.
Aber ich schaffe keine andauernden Projekte und bin zu ungeduldig mit mir selbst.
Außerdem würde mir der Masochist fehlen, der einen tatsächlich längeren und möglicherweise fiktionalen Text von mir lektorieren soll. Eine Aufgabe, die augenscheinlich gegen die Menschenwürde verstoßen würde.
Und selbst wenn, wer würde einen Roman aus dem Hause Mausebär lesen wollen?
Jeder, der mich kennt, würde gleich einen mehrere hundert Seiten starken „Penis-Witz“ befürchten.
Und wahrscheinlich sogar zu recht.

Ich werde wohl nie ein richtiger Mann werden.

Aber zurück zu meiner Bilanz.
Nachdem ich die „großen Drei“ in den letzten 20 Jahren offensichtlich nicht erreicht habe, was habe ich an Erfolgen vorzuweisen?
Glück bei den Frauen? – Ich bin seit über 20 Jahren verheiratet, da war nur selten Zeit, mich als Weiberheld zu versuchen.
Erfolg im Beruf? – Ich habe zwei abgeschlossene Berufsausbildungen mit jeweils minimaler Berufserfahrung.
Karriere? – Die Zahlen auf meiner Rentenprognose sind im zweistelligem Bereich und noch nicht mal im hohen. Grundsicherung bis Grabstein ist die Devise.
Irgendwelche großen Taten? – Nicht, dass ich wüsste, ich habe keine Menschenleben gerettet, keine großen Projekte angestoßen und keine Veränderung in der Welt erzeugt.
Tiefe Freundschaften? – Ich habe kaum Beziehungen zu Leuten, die ich länger als 5-6 Jahre kenne. Alle Beziehungen von früher sind vom Winde verweht.

Es ist wie es ist, wenn ich morgen sterben sollte, hätte ich keine Spuren in der Welt hinterlassen.

Gerade bringt mich das auf schlechte Gedanken.
Manchmal finde ich es schade, dass ich so einfach vergehen werde und in nicht mal 20 Jahren nach meinem Tod kein Beweisstück meiner Existenz mehr da sein wird.
Andererseits werde ich das auch nicht erleben – also nur halb so schlimm.

Als Jugendlicher wollte ich berühmt werden, als junger Mann wollte ich zumindest berüchtigt werden, als „erwachsener“ Mann wollte ich wenigstens in einem Gebiet erfolgreich sein und ich bin noch nicht alt genug, um zu wissen, was ich als „alter Sack“ sein will.
Zurzeit bin ich im Umbruch zwischen Resignation und Neuorientierung, was immer das als Floskeln heißen mag.
Aber ich werde auch nicht aufgeben, weiter jeden Tag ein Stück voran schreiten und vielleicht finde ich irgendwann zurück auf den Weg, den ich vor über 20 Jahren verlassen habe, um mich im Dickicht diverser Ablenkungen zu verlaufen.
Hin und wieder werde ich hier von meinen Schritten berichten.
Vielleicht hilft es ja auch anderen Menschen, die sich verlaufen haben?
Wenn wir alle mal laut rufen, können wir uns vielleicht erreichen und sind dann im tiefem dunklen Wald unserer Probleme nicht mehr allein.
Laut einer alten Pfadfinderregel, sollten sich beim durchqueren einer Wüste, ohne Navigationsmittel, möglichst ein Linkshänder und ein Rechtshänder händchenhaltenderweise zusammenfinden.
Rechtshänder zieht es beim Gehen nach rechts und Linkshänder nach links, darum gehen Leute in der Wüste meist im Kreis, ohne es zu bemerken. Zusammen können sich Beide ausgleichen und einen Weg geradeaus finden.
Und so können wir vielleicht auch gemeinsam einen Pfad zurück auf den geraden Lebensweg finden, wenn wir zusammenarbeiten.
Oder zumindest in der Gemeinschaft mehr Spaß und weniger Angst beim Suchen haben.

Wahrscheinlich bleibe ich nur aus einem Grund stets der erfolglose Mausebär, weil ich meine Erfolge nicht erkennen kann.

Trotzdem gibt es da draußen den einen oder anderen, der mich nicht wie einen Loser behandelt und allen diesen Menschen sage ich jetzt und hiermit mal ausdrücklich Danke.

Danke!

Euer selbstkritischer, aber unreflektierter Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

Ein Kommentar

  • Geliebter Thorsten,
    mir ist es egal was Du über Dich selber denkst.
    Ich finde Dich wundervoll.
    Ich schwöre das im jetzigen Monment!

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben