(M)ein Mittsommernachtsalptraum

Heute meldet sich der Mausebär (td) überraschend wieder mal aus der Versenkung. Mit einem ominösem Guerillatext, den ich zum Schrecken meiner Redaktion einfach so mal raushaue.
Der Anlass?

Es gab berechtigte Kritik daran, dass sich unsere Seite schon seit langem eher der Literatur widmet, als der eigentlichen Arbeit der Erfahrungsexperten. Ich fasse noch einmal zusammen.

Wir haben eine Gruppierung gegründet um in der Betroffenenarbeit wirksam zu werden.
Das betrifft vor allem Personen, die von psychischen Krankheiten betroffen sind, sowie deren Angehörige und professionelle Kräfte, die in diesem Bereich arbeiten, soll aber kein ausschließliches Kriterium der Betroffenheit darstellen.
Auch Menschen mit anderen Erfahrungen und Problemen sind uns, beziehungsweise mir, wichtig und willkommen.
Um eine Möglichkeit des „Netzwerkens“ zu schaffen, haben wir uns entschieden unsere Onlinepräsenz zu erschaffen.

Eigentlich hat sie sogar Sonja erschaffen und ich fummele mit Alex ein wenig mit daran herum.
Diese Plattform sollte dazu beitragen uns zu koordinieren und unserer Arbeit ein zuhause zu geben.
Geplant war ein Forum, ein Veranstaltungskalender und halt Kontaktmöglichkeiten, auch für unsere Kooperationspartner.

Wir wurden von zwei Dingen eingeholt, oder quasi überholt, die unser Baby schneller aus der Taufe hoben, als wir geplant hatten.
Zum einen, der Tag der seelischen Gesundheit, dessen Organisation uns dazu nötigte unsere Idee „scharfzuschalten“.
und dann kam da diese Kleinigkeit namens Corona.
Aus irgendeinem verrückten Grund wollte ich in der Krise eine Chance sehen und fing an zu schreiben. Über mich und meine Ideen und Ansichten…

Es wurden 69 Texte, die als das „Coronatagebuch“, in meiner frisch gegründete Kategorie „Mausebärs Philosopien“ veröffentlicht wurden.
Ehrlich gesagt hätte ich mir vor dieser Zeit nie zugetraut ein Blogger zu sein, der zeitweise täglich seine Texte auf die Menschheit, oder den minimalen Teil der Selben, die das Ganze hier liest, los zulassen.
Ich bewarb alles brav auf Facebook, um die Reichweite zu erhöhen und um andere Leute mit in den kreativen Prozess einzubinden.
Leider blieben die Kanäle stumm.
Nur einige, wenige Auserwählte folgten meinem Beispiel und teilten Gedanken und Ideen mit uns auf unserem Blog.
Vielleicht denke ich im zu großen Maßstab und sehr wahrscheinlich brauchen die Dinge Zeit, aber das ist weder mein Problem, noch mein persönlicher „Alptraum“.

Vor einigen Wochen habe ich Spaß an der Prosa gefunden und bin froh, dass mein kleines Projekt so gut läuft.
Was daran besonders gut läuft, ist der Umstand, dass mir die Schreiberei eine Menge Dinge ersetzt, die ich vermisse.
Einige vermisse ich durch Corona, andere durch den gesundheitlichen Zustand meiner Frau und wiederum andere durch meine eigene Erkrankung, die ich bei weitem nicht so gut im Griff habe, wie ich es gerne nach außen darstelle.
Mein Fortsetzungsroman gibt mir gleichzeitig ein Ventil, mit meinen Problemen umzugehen, als auch ein Ziel,was mir hilft mich selber auf meinem Weg der Recovery fortzubewegen.
Die Hoffnung die gesamte Geschichte in nicht allzu ferner Zukunft als gebundenes Buch in meinen Händen zu halten ist für mich ein wichtiger Empowerment-Gedanke, der mich gerade zur Zeit „auf Kurs“ hält.

Viele Dinge in meinem Leben laufen gerade suboptimal, jedenfalls gefühlt und ich stehe, mal wieder, vor riesigen Bergen an Problemen, die mir Angst machen.
Ich brauche keine Hilfe, oder ehrlicher gesagt ich bekomme schon Hilfe und rein rational geht auch alles seinen Weg, aber im Inneren bin ich ungeduldig und unleidlich.
Mein Leben macht mir gerade wenig Spaß und meine Möglichkeiten der fröhlichen Ablenkung sind durch Corona blockiert.
Was mir bleibt sind viele gute Ideen und weit zu wenige Ressourcen, um diese umzusetzen.

Der Roman ist für mich ein sanfter Hügel auf dem ich wandere, der mir die Hoffnung gibt, erklimmbar zu sein und mich auf seinem Gipfel erhöht zu fühlen, statt dauernd nur durch ein Tal zu wandern.
Es regt meine Fantasie an und lässt mich hoffen, dass vielleicht, trotz der sehr geringen Wahrscheinlichkeit, die damit verbunden ist, ich etwas erschaffe, was meine eigen Existenz überdauert.
Dieses Buch ist mein Lottoschein und auch wenn es, realistisch gesehen, unwahrscheinlich ist, dass es je mehr als 10 Exemplare geben wird, beziehungsweise verkauft werden, erlaubt es mir die Hoffnung zu haben, die ich in vielen Teilen in meinem Leben bereits begraben habe.
Daher klammere ich mich, wie viele merken, an diese Utopie, da sie mich hoffen lässt und meinem innerem Pessimisten ungehemmt über den Mund fährt.
Ich verrenne mich nicht, denn ich weiß, dass meine Ideen nicht unbedingt realistisch sind.
Es geht am Ende auch nicht darum, dass ich eine Enttäuschung erfahren könnte, sondern darum, dass ich diesen Weg gehe und goldene Ziele mich motivieren, auch wenn ich sie niemals erreichen werde.

Nun kommt die berechtigte Kritik, dass diese Romane ja nur bedingt auf unsere Website passen, denn der Bezug zu unserer Arbeit ist nicht deutlich genug.
Es freut mich dass es jemandem auch so wichtig ist uns trotz der eigenen Angst, man könne es ihm übel nehmen, darauf hinweist, welche Sorgen er sich in Bezug auf die Außenwirkung unseres Projektes macht.
Das Dilemma, dass sich mir als Alptraum anbahnt, fußt auf einem ganz gewaltigem und vor allem egoistischen Problem.

Das Verfassen meiner Texte ist der eine Teil meiner wohltuenden Freude, aber der mindestens genauso wichtige Teil ist die gemeinsame Lesung und das Lektorat mit meinen Mitstreitern.
Es ist etwas, was mich im bestem Sinne empowert und mir einfach gut bekommt.
Es hilft mir durch die Woche, genauso, wie mein wöchentlicher Spieltermin (natürlich Online) und das Treffen unserer Selbsthilfegruppe Phönix (leider auch online).

Mit viel Egoismus habe ich zwei Arbeitstage durchsetzen können, die meinem literarischem Werk gewidmet sind, was mir schon fast zu wenig ist, aber ich will ja nicht gierig werden.
Das Problem ist, dass meine Mitstreiter und auch ich noch diverse andere Verpflichtungen haben, die an unserer Energie knabbern und so lieb es auch von meinen beiden Lieblingslektoren ist, mich mit meiner Droge zu füttern, muss ich einsehen, dass es nur begrenzte Ressourcen von dem gutem Zeug gibt.
Das heißt eindeutig, dass es nur ein gewisses Kontingent von Texten gibt, die wir gemeinsam bearbeiten können, um sie online zu stellen.

Das hat nichts mit meinem Output an Texten zu tun, der weit höher liegt, sondern tatsächlich mit der Möglichkeit der Bearbeitung.
Da ich nicht jeden Tag ungeprüfte Texte voller grammatikalischer Fehler (wer welche findet darf sie gerne behalten, ich habe genug davon) veröffentlichen darf, da mir sonst die Redaktion mit dem unbedecktem Hinterteil ins Gesicht springt, ist meine Veröffentlichungsrate einfach gedeckelt.
Mit einer gewissen Beharrlichkeit durfte ich es auf fünf Texte pro Woche hoch handeln.
Das heißt aber auch, dass jeder Text, der mehr in die Idee unserer Seite passt, von meinem Kontingent an Romantexten abgezogen wird. Damit wird nicht nur die für mich dringend notwendige Freude der gemeinsamen Bearbeitung verringert, sondern auch mein Ziel der Vollendung weiter in die Ferne gerutscht.

Da ich mich kenne, weiß ich, dass eine Verringerung meiner „Schlagzahl“ in kürzer Zeit zur Resignation führen wird und mein Romanprojekt sein vorzeitiges Ableben finden wird.
Ein Punkt der mir schon beim darüber Nachdenken unglaubliche Angst macht.
Da aber die Erfahrung gezeigt hat, dass sich im engeren und auch weiteren Umfeld der Erfahrungsexperten wohl der einzige bin, der eine gewisse Anzahl an alternativen Texten fabrizieren kann, oder will, die meine Fortsetzungsromane in ihrer Hinblick auf ihre Sichtbarkeit auf unserer Seite relativieren kann, stecke ich jetzt in einem Gewissenskonflikt.
Morgen wird die Redaktion tagen und das Thema wird sehr wahrscheinlich auf der Agenda stehen und es wird eine Entscheidung fallen.

Obwohl der besagte Kritiker nicht auf meine Romantexte verzichten möchte, wird es schwer, nicht genau darüber zu diskutieren, denn es ist zu bezweifeln, dass wir plötzlich zwei bis drei Autoren finden, die uns genügend Texte liefern, um das gewünschte Gleichgewicht der Seite herzustellen.
Ich weiß, es wird natürlich das Vernunftsargument kommen, dass ich mir nicht soviel Druck machen muss. Schließlich hat mein Projekt objektiv gesehen ja Zeit.
Hat es aber subjektiv eben nicht.
Wie ich mich kenne, werde ich mich der Vernunft beugen und die Schlagzahl verringern, um mich vermehrt anderen Texten zuzuwenden und dabei wird, wie so oft in meinem Leben, wieder etwas in mir langsam absterben.
Mein Projekt wird langsam vor sich hin krepieren und eines nicht fernen Tages, werde ich sämtliche Dateien auf meinem Rechner in einem depressiven Schub einfach löschen und damit alles wegwerfen. Das ist ein Erfahrungswert, der mir wohlbekannt ist.
Daher gibt es für mich drei Lösungsansätze, die mir spontan einfallen:

  • Wir legen die Fortsetzungsroman auf eine andere Website um, oder veröffentlichen nicht mehr vorab, sondern schreiben das gesamte Buch vorerst intern weiter. Damit wird die Anzahl der „unpassenden“ Veröffentlichungen geringer, aber auch die Zahl der Veröffentlichungen insgesamt.
  • Ich verfasse eine angemessen Menge an alternativen Texten und veröffentliche meine Fortsetzungsgeschichte halt nur an ein oder zwei Tagen, während die anderen Tage anderen Texten gewidmet sind. Das erhöht signifikant die Wahrscheinlichkeit, das mein Projekt Roman in naher Zukunft einfach sterben wird.
  • Wir erhöhen die Schlagzahl an veröffentlichten Texten insgesamt, was sowohl die Qualität, als auch das Energielevel meiner Mitarbeiter signifikant belastet. Und mich natürlich entsprechend auslutscht.

In allen Fällen sehe ich eine unbedingte Verlustsituation, die mich gerade einfach traurig macht.
Nicht aufgrund der Tatsachen, die berechtigt ausgesprochen wurden, sondern weil meine Seifenblase wieder zu zerbrechen droht.

Es gäbe vielleicht noch die Möglichkeit, mich soweit zu fordern, dass ich mich partiell zurückziehe aus allen anderen Unternehmen und einfach alleine weiterschreibe, dann wäre ich aber unkontrolliert und würde wahrscheinlich durchdrehen in irgendeiner Form.
Das würde der Seite auch nicht dienen, daher stehe ich gerade vor der Wahl zwischen Pest und Cholera.

Innerlich habe ich Angst vor der Diskussion, die kommen wird und zu einem auf jeden Fall suboptimalen Ergebnis führen wird.
Die Realität hat mich erneut eingeholt und beweist mir gerade, warum ich nicht nur das Leben an sich, sondern mich im Besonderen, hasse.
Wäre ich fähig meine Sachen alleine auf die Reihe zu bekommen, oder einfach mehr Geduld zu üben, wäre das Problem nicht so groß, aber ich bin leider nicht der „Performer“ der ich gerne wäre.
Ich werde gleich noch einen weiteren Teil meines Romans schreiben, auch um in gewisser Weise mich noch daran zu erfreuen, solange es geht und dann mal abwarten, welches der vielen Schwerter, die über meinem Haupt schweben, morgen in der Teamsitzung gnadenlos auf mich einkracht, denn ich weiß keine Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird.

Euer resignierter Mausebär (td)

3 Kommentare

  • Autsch…….Ich bin von deinen worten Tief berührt.
    Ich denke es wird sich eine für dich befriedigende Lösung finden.
    Es gibt mehr als die Alternativen die dir eingefallen sind.

    Gruß Udo

    Antworten
    • Das hoffe ich, denn im Moment sehe ich das ganze natürlich eher schwarz-weiß, aber es gibt ja noch so viele Grautöne dazwischen. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird und doch ist es mir wichtig meinen Ängsten einen Raum einzugestehen und sie lieber hier parken, als nachher mit ins Bett zu nehmen.

      Liebe Grüße,

      Thorsten

      Antworten

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