Morgens, halb zehn in Deutschland

Ein morgendlicher Gedanke, unbefrühstückt vom Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

Eben wurde ich von einem Anruf geweckt. „Skandal!!!“, dachte ich mir im Halbschlaf und drückte das Gespräch weg. Während ich mich wieder in meine Decke rollte, merkte ich, dass es vorbei war. Meine Neugier und auch meine Sorge war geweckt. Außerdem musste ich auf´s Klo. Einen Toilettengang und eine Medikamenteneinnahme später…

Ich saß auf meinem Sofa und schaute auf die unbekannte Kempener Nummer.
War es was wichtiges? Und wenn ja, wer war es? Bevor ich in das Gedankenkarusell einsteigen konnte, drückte ich beherzt die Anruftaste.
Vor etwa zwei Jahren hätte ich mich das nicht getraut.
Meine Recovery schreitet voran.
Noch während ich mit einer Mischung aus Stolz („Yeah, I did it!“), Angst („Oh, my God, what have I done?“) und Müdigkeit („The number you called is temporarily not available.“) verharrte und während mir ein deutliches Klicken die Annahme des Anrufs signalisierte, fragte ich mich intensiv, warum ich gerade Englisch mit mir sprach?
Noch bevor ich mir selbst eine Antwort oder gar eine Erklärung geben konnte, war ich in ein Gespräch verwickelt. Mein Gesprächspartner war der freundliche Herr vom Jobcenter, der über mein Wohl wacht und meine Akte bearbeitet.
Wieder mal war ich verwirrt von der Freundlichkeit des Jobcenters in Kempen, bzw. jene ihrer Mitarbeiter.
Noch Jahre nach meiner erlittenen Traumatisierung durch die Verhältnisse meiner Betreuung in Essen, erstaunt mich der Ton in Kempen immer wieder. Freundlich, verbindlich und interessiert werde ich schon fast umsorgt.
Ich erfuhr, dass in Zeiten der Krise mein anstehendes persönlich anberaumtes Gespräch jetzt telefonisch gemacht werden müsse.
Keine Nachfrage über das vorherige Wegdrücken des Anrufes.
Aus dem Anruf blieben mir drei Aussagen in Erinnerung.
Zuerst die Frage, ob ich immer noch plane mich selbständig zu machen.
Dann die Frage, ob ich immer noch planen würde, Dozententätigkeiten (im Rahmen von Seminaren und Vorträgen) anzubieten.
Und als letztes die Information, dass meine Wiedereingliederungsvereinbarung mir zugeschickt würde.
Ich soll sie dann unterschrieben zurücksenden, aber dass interessiert jetzt hier an der Stelle am wenigsten.

Während ich mir, Stunden vor meiner geplanten Zeit dem Land des Schlafes entrissen, eine warme Dusche gönnte, dachte ich über das Gespräch nach.
Schnell wurden mir drei Vorteile dieses Tagesstartes klar:
Erstens – ich genoss eine ausgiebige warme Dusche.
Zweitens – ich dachte über meine persönlichen Pläne nach.
Drittens – ich habe jetzt das Thema für meinen heutigen Text.

Was, Wie, und Warum

Drei zentrale Fragen, die mich beschäftigen. Meine vorläufigen Ideen möchte ich hier kurz präsentieren. Vielleicht habt ihr ja Ideen und Anregungen (wie immer, Kommentare erwünscht). Ich missbrauche jetzt meine tägliche Aufgabe, um mich zu sortieren.

Die Grundprämisse

Letztes Jahr habe ich, in einem Anfall von innerer Überheblichkeit, gepaart mit endloser Naivität, meinem Jobcenterbetreuer erklärt, dass ich als frischgebackener Genesungsbegleiter die große Freiheit anstrebe.
Ich rede von der Freiberuflichkeit.
Nicht nur meine Lebensgeschichte, sondern auch mehrere kompetente Ärzte haben mir bestätigt, dass eine geregelte Arbeit nicht für mich geeignet ist.
Ich komme nicht mit Hierarchien klar. Ich muss mein eigener Chef sein.
Und hier liegt die Grundlage meiner Gedanken.
Oder besser gesagt, unserer Gedanken, denn Sonja und Alex begleiten mich nun schon seit einiger Zeit bei der Idee, die aus unseren gemeinsamen Gedanken entspringt.

Die Grundidee ist, das zu machen, was wir sowieso gerne machen, aber beruflich.
Quasi zu verdienen, was wir verdienen.
Unsere Idee, für die wir brennen, in den Fokus unserer Welt zu stellen.

Und schon sind wir bei den Fragen…

Was?

Mein größter Wunsch war es immer, Mitglied einer Gedankenfabrik (englisch: Think-Tank) zu sein.
Meine Kreativität und den Ideenreichtum mit Kompetenz zu vereinen, um neue Konzepte zu erdenken und neue Ideen zu entwickeln.
Mein zweitgrößter Wunsch war, dafür anerkannt zu werden, am besten auch monetär.
Lange fehlte mir ein Team. Und damit meine ich nicht eine Gruppe von Menschen, die ich kommandieren kann, sondern echte Teamarbeit auf Augenhöhe.
In Sonja und Alex habe ich das gefunden. Genauso wie die Bereitschaft, uns zu einem Projekt zusammen zu schließen und etwas aufzubauen.
Seit meiner Arbeit als Dozent in der Erwachsenenbildung kam der Spaß am Unterrichten dazu. Ich mag es, als Dozent tätig zu sein und Wissen zu vermitteln. Ich mag es, neue Gedanken anzuregen und mit Menschen zu arbeiten.
Aber ich brauche mein eigenes Tempo, mein eigenes Konzept. Nur wenn ich mich frei fühle, erreiche ich meine gewünschte Qualität; eine erprobte Tatsache.
Mit der Ausbildung zum Genesungsbegleiter kam eine weitere Stufe hinzu. Eigentlich vollendete sie das, was ich mit meinem angefangenen Psychologiestudium (ganze zwei Semester) und meiner Ausbildung zum Erzieher bereits begonnen hatte.
Ich helfe gerne Menschen.

Diese Ansätze, also Kreativität und konzeptionelle Arbeit, Dozentenarbeit und Vortragstätigkeit sowie Genesungsbegleitung wünsche ich mir unter einem Hut.

Wie?

Diese Frage beschäftigt mich am meisten. Oder besser gesagt, beschäftigt sie uns, denn regelmäßig sitzen wir zusammen und „stricken“ an unserem gemeinsamen Konzept.
Gemeinsam, wie die drei Nornen (nordische weibliche Gottheiten, die den Teppich des Schicksals flechten – Anmerkung des Kängurus) knüpfen wir an dem Teppich, der dereinst die „Erfahrungsexperten am Niederrhein“ sein wird. Im Gegensatz zu den Nornen lassen wir uns allerdings nicht auf eine Rolle festsetzen, sondern ergänzen uns immer wieder auf neue Arten.
Bei uns darf jeder mal „den Hut aufhaben“, oder „die Hosen anhaben“.
Langsam arbeiten wir uns vor, um etwas zu erschaffen.
Aber was jetzt genau?
Das ist „Work in Progress“.
Das Ergebnis wird mich genauso überraschen wie alle anderen. Aber ich freue mich drauf!

Warum?

Was ist unsere Motivation?
Ganz klar, wir wollen etwas vernünftiges machen. Einen Beitrag leisten. Unsere Fähigkeiten nutzen, die gebündelt noch so viel wertvoller sind, als einzeln.
Wir wollen im kleinem Rahmen etwas verändern, vielleicht sogar verbessern. Im Vordergrund steht Sinnhaftigkeit und das Nutzen von Ressourcen.

Doch mich hat mein morgendliches Gespräch noch an eine weitere Ebene erinnert.
Ich möchte durch meinen Beitrag auch irgendwann raus aus der Abhängigkeit.
Ich will keine großen wirtschaftlichen Erfolge, aber es wäre mein Traum, von dem was ich tue (und zwar gerne) auch leben zu können.
Das muss nicht heute oder morgen sein, aber irgendwann wäre es einfach schön und beruhigend (Stichwort – Soziale Absicherung).

Wieder mal bin ich am Ende.
Meines Textes und nicht meiner Welt.
Ich hoffe, ich schocke euch mit dem Geständnis meines wirtschaftlichen Interesses nicht zu viel.
Und wenn ihr denkt, dass das, was wir hier leisten, eine Zukunft hat, die auch angemessen honoriert werden sollte, dann lasst mir einen kleinen Kommentar hier.

Für mich gehört ihr alle dazu, zu dem großem Projekt, was hier im Kleinen startet.

Mit montagmorgendlichen, aber nicht muffeligen Grüßen,

Euer Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

2 Kommentare

  • Gefällt mir,find ich gut.
    Ich mag deine art zu schreiben,(ehrlich gesagt.bin ich sogar ein wenig Neidisch,was ich Natürlich Niiiiimals zugeben würde)

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    • Das ist ein Kompliment, das ich einfach mal so annehme,. Und auch gerne zurückgebe, den ich mag deine Texte und fühle mich davon inspiriert.

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