Selbsthilfe

Gedanken zu einem seltsamen Wort

Auch heute war ich ein wenig spazieren. Mittlerweile ist es schon peinlich, wie sehr ich davon berichte, aber es ist ein schwieriger Angang, der mit Schmerzen und Willen verbunden ist.
So stellte ich heute unterwegs fest, dass Ehrgeiz und Willenskraft die beiden Seiten der olympischen Medaille sind.Liegt auch daran, dass mich eine Mischung aus ehrgeiziger Motivation und dickköpfiger Willenskraft wieder weiter hinaus getrieben haben, als ich es vor hatte.
Für mich, gerade mit meinem Gewicht, ist gehen eine Extremsportart. Schließlich trage ich soviel mit mir herum, wie manch ein Bodybuilder in der Beinpresse drückt. Dass damit Anstrengung und auch Muskelschmerzen vorprogrammiert sind, da muss mein kein Spezialist sein, um dass zu erkennen.

Aber es ist wichtig für meine Gesundheit, für den Aufbau von Kondition, für die Erweiterung meines Bewertungsrahmens. Und so ist der Schmerz hoffentlich, wie Hornbach mal in ihrer Werbung verkündet hat, nur Schwäche, die den Körper verlässt.
Am Ende ist es einfach nur der Beitrag den ich zahlen muss, um aus meiner selbstverschuldeten Unmündigkeit (bzw. Bewegungsunfähigkeit) aufzubegehren.

Selbst schuld, selbst ändern.

Aber ist das Selbsthilfe?

Dienstag ist für mich Selbsthilfetag, denn Dienstags trifft sich die Phönix-Gruppe, seit kurzem auch wieder im Haus an der Dorenburg in Grefrath.
Für mich ein wichtiger Termin, da ich diese Gruppe, seit ihrer Gründung vor ein paar Jahren begleite, als Moderator, als Organisator und am Wichtigsten und hauptsächlich als Gruppenmitglied.
In dieser Zeit hat mich die Gruppe durch kleiner und größere Krisen begleitet, mir den Weg ins Ehrenamt geöffnet, mir erlaubt neue Erfahrungen zu machen und mich in meiner Rolle als Organisator zu profilieren, was mir auch manchmal zugute kommt.

Heute war besonders, denn es hagelte Absagen. Leider waren fast alle Mitglieder unserer illustren Truppe verhindert und, als ich auf der Bank vor dem Haus an der Dorenburg saß und den Rest meiner eben im Heidegrill erworbenen Mahlzeit (soviel zum Thema Gesundheit)verzehrte, kam über das Handy eine weitere Absage.

Also war es meine Pflicht, kurz drauf, dass ich dem pünktlich angereistem Udo mitteilen musste, dass sich der Rest vom Schützenfest entschuldigt hatte.
Auf ein Sitzung, zu zweit in dem großen Raum hatten wir Beide keine große Lust, doch statt uns einfach zu verabschieden, entschlossen wir uns kurzerhand, den Weg in den nahegelegenen Schwingboden-Park zu suchen, um dort eine gemütliche Parkbank zu finden.

Und so saßen wir dort, zwei alte langhaarige und bärtige Männer, genossen das schöne Wetter und die Natur um uns und unterhielten uns über all die Dinge, die uns gerade belasteten, all die Dinge die uns beschäftigten und all die Dinge zu denen uns unsere Gedanken gerade hinführten.
Gemeinsam, im Austausch, statt in einer Diskussion. Mit der Fähigkeit Dinge stehen zu lassen und auch einfach mal zu betrachten, statt gleich zu bewerten.
Ein tiefes Gespräch auf Augenhöhe mit wahrscheinlich mehr Inhalt, als mir jetzt schon bewusst ist. Und das obwohl ich viel mitgenommen habe.
Ja, ich habe viel mitgenommen, aber es hat mich nicht mitgenommen. Tatsächlich fühlte ich auf dem Rückweg ein Gefühl der inneren Leichtigkeit. Ich habe etwas von dem, was mich zur Zeit belastet, dort im Park zurück gelassen.

Das bringt mich dazu, über den Begriff Selbsthilfe nachzudenken.

Was ist Selbsthilfe für mich?

Ich finde das Wort irreführend, denn es geht ja nicht darum, dass ich mir selber helfe. Vielleicht noch um die Art, wie ich ich mir selbst helfen kann, aus der Sicht von anderen mit den gleichen Problemen. Das wäre dann aber die Hilfe zur Selbsthilfe, also die Selbsthilfehilfe (ach je, wie kompliziert).
Aber geht es darum, sich selber zu helfen, oder geht es darum sich gegenseitig zu unterstützen?

Für mich ist das wichtigste das liebevolle Netzwerk von Menschen, die ich durch die Gruppe gewonnen habe. menschen die sich mir anvertrauen und denen ich vertrauen darf. menschen die ihre Sorgen und Nöte, aber auch ihre Erfolge und Siege mit mir teilen.
Aber auch Menschen die mir nicht nur Hilfe anbieten (und das auch ehrlich meinen) sonder auch erlauben, ihnen zu helfen.
Und die Bezahlung für diese Hilfe ist weder materiell noch Dankbarkeit, sondern die gute Zeit, die man miteinander verbringt, die Gemeinschaft und das Gefühl in einer Gemeinschaft willkommen zu sein.

Das alles sind Gedanken, die mich begleiten und mich fragen lassen, ist das noch Selbsthilfe oder bereits viel mehr.

Genießt die Zeit mit wohlmeinenden Menschen um euch,

Euer Mausebär

4 Kommentare

  • Ich war am 16. in einer wunderschönen Saunalandschaft und hab es voll genossen. Hingekommen bin ich mit Hilfe einer Mitklienty aus dem ABW, mit der ich auch immer wieder Freud und Leid teile und wo so allmählich eine Freundschaft entsteht. Uns was Gutes zu tun, uns in Bewegung zu bringen – ich habe 100 KG und sie mehr, unsere Körper zu zeigen, nackig sein in einem öffentlichen Raum, das kostet Überwindung und es tut zugleich gut, die Bewegung, das Schwitzen, Reinigung, Entspannung und auch die Begegnung mit anderen. Für mich war es ein wunderbarer Urlaubstag, mit Urlaubsfeeling. Mit Panoramablick auf ein altes Moor- und Seengebiet, habe ich das erste Mal dieses Jahr meinen Körper der Sonne dargeboten, mich befreit. Vögel zwitscherten, leichter Wind wehte … es war der perfekte Moment. Im Wasser habe ich geschwebt (wie ein Embryo im Mutterleib). Beim Aufguss wurde ich verwöhnt, berührt, geholfen. Jemand massierte mir Honig in den Rücken und ich hatte eine so natürlich spontan nette Begegnung mit einem Fremden, der mir sofort vertraut war, symphatisch war und der mir auch nicht zu nahe kam. Und ich konnte mich annehmen wie ich bin und mich spüren, es fühlte sich so gut an. Ich denke, in dem Moment, wo ich mich selbst annehme, das Leben liebe und im Moment bin und offen bin für ein Gespräch, für eine Begegnung, … da bin ich einfach da und glücklich. Selbsthilfe ist für mich Beides: Mir selbst helfen, mir gut tun, auch Hilfe annehmen und zugleich mein Gegenüber wahr zu nehmen und im Kontakt sein, zuhören, austauschen, begegnen, helfen.

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  • Hey Ihr Zwei,
    das habt Ihr Beide besonders liebevoll und genau auf den Punkt gebracht geschrieben ☺️
    Solche Momente sind unbezahlbar, bleiben in einem hängen, lassen gute Momente verinnerlichen ☺️ geben Kraft sich selbst und Anderen etwas gutes zu tun.
    ✊️

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  • Es sind genau diese Momente, die uns helfen, mit uns selbst, dem grauen Alltag und oft unsensiblen Nicht-Diagnostizierten (denn gänzlich Un-Betroffene habe ich noch nicht erlebt) auszuhalten.

    Ich möchte Dir, lieber Thorsten, sanft aber bestimmt widersprechen, und zwar Deinen Einleitungssatz im zweiten Teil des Textes betreffend, welchen ich hier auszugweise zitieren möchte (räusper):
    „Es geht ja nicht darum, dass ich mir selber helfe…(…)…sondern um Hilfe zur Selbsthilfe.“
    Meine Erwiderung lautet: Es geht sehr wohl genau darum.

    Der Begriff ist zwar, wie so einige in unserem Feld, gewollt offen und mit breit gefächerter Bedeutungsinterpreration versehen (vermutlich bewusst in der Absicht, die vielen verschieden besonderen Menschen wie uns abzuholen), jedoch geht es im gelebten Kern der Sache, aus meiner Sicht zumindest, stets darum, einen so wichtigen Aspekt für unser Leben auszuüben, wie es der Gleichgewichtssinn für unseren Organismus tut.

    Jedy, dy schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, etwas mit dem Innenohr zu haben, kann Klagelieder davon singen, was passiert, wenn das unscheinbare und in der Aufzählung unserer Sinne gerne vergessene Gleichgewichtsorgan in den Seilen hängt und unsere aufrechte Körperhaltung nicht in dasselbe Gefühl übersetzt wird – oben ist nicht mehr oben, der Raum um uns herum wird schmerzhaft zu dem relativen Gebilde, als das die Physiker ihn begreifen.

    Zurück in den Lehren von Recovery, Salutogenese und Empowerment fällt mir das Bild aus dem Montagskurs der PHG ein, welches zwei Menschen bei einer Bergwanderung zeigt. Hier ist es wichtig und unabdingbar, einander auf den schwierigen Wegstrecken gegenseitig abzusichern.

    Ebenso empfinde ich jede Form von Selbsthilfe, Genesungsbegleitung und Betroffenenbeteiligung. Im Sinne eines intelligenten Organismus, in welchem der eine Teil Sorge für den anderen trägt, helfen und wirken wir füreinander und Erfolg wie Misserfolg werden geteilt, im ersten Falle mit Verdoppelung des empfundenen Glücks, im zweiten durch Aufteilen empfundenen Leids (klinge ich schon wie dieser Prof. Hirschhornsalz?).

    Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile und Kooperation kann Abgründe überwinden.
    Zum Ende dieses Textes möchte ich Euch ein Bild zum Nachschlagen ans Herz legen: Schaut Euch mal eine Doku über Treiberameisen an, weniger die Jagdszenen, als jene der wandernden Schar, welche aus ihren Leibern Brücken und ganze Häuser baut.

    Liebe Grüße,

    Euer Schmusehamster

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