„Ein Freund, ein guter Freund …“

Ein freundschaftliche Betrachtung meiner sozialen Kontakte vom Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

„… das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“. Ich mag dieses Lied von den Comedian Harmonists und zur Zeit ist es der passende Soundtrack für meinen heutigen Text.

Ein Vormittag am Sonntag

Es ist Sonntag und mein Sonntagstext ist gerade im Entstehungsprozess.
Ich berichte quasi gerade Live aus meiner Bärenhöhle.
Wieder mal war die Versuchung groß, mich heute zu drücken. Sonntag ist ja eine gute Ausrede.
Eben noch lag ich auf meiner Couch und döste vor mich hin, als mich das Telefon weckte und meine Teilnahme an einer Videokonferenz gewünscht wurde.
Und ja, während ich schreibe bin ich gleichzeitig im Gespräch. Ich lausche andächtig einer, wie wir es nennen, Intervision zwischen Sonja, Alex und auch mir.
Und wieder einmal finde ich es faszinierend, in wie weit ich in der Lage bin, dem Gespräch zu folgen, mich sogar zu beteiligen.
Das schaffe ich nicht bei jedem Gespräch. Ehrlich gesagt, sogar bei den wenigsten Gesprächen.
Meist bin ich leicht abzulenken, doch die beiden schaffen es auf einer Ebene zu kommunizieren, die mich weder anstrengt, noch ablenkt.
Im Gegenteil, ich werde angeregt und auch unterhalten.
Und egal wohin das Gespräch läuft, es ist mir wertvoll.
Ich fühle mich beteiligt und geschätzt und trotzdem lerne ich auf Augenhöhe.
Wieder mal denke ich daran, dass im sozialem Kontext „das Ganze größer ist, als die Summe seiner Teile“.
Nachher werde ich den Text Sonja zum Lektorat übergeben und eigentlich ist es mir wahrscheinlich (stückweise) peinlich. Schließlich muss ich diese „Lobhudelei“ mit ihr Stück für Stück durchgehen.

Früher war es mir generell unangenehm, darüber zu reden, was ich an meinen Mitmenschen schätze.
Ich selber habe ein Problem damit, Lob anzunehmen.
Wahrscheinlich macht es mir genau das so schwierig, mich einfach mal positiv zu äußern.
Als Kind aus einem Lehrerhaushalt bin ich Bewertung und Kritik gewohnt, quasi „Fordern und Fördern“.
Als Erzieher habe ich selber gelernt, so zu denken und zu kommunizieren. Also immer meine Mitmenschen weiterbringen, auch mit Kritik.

Seit einiger Zeit bin ich in einem Lernprozess.
Begonnen hat es mit dem Kurs in der PHG.
Ich habe etwas Neues erfahren, nämlich auch mal Dinge ohne Kritik stehen zu lassen. Ich muss nicht alles bewerten und vor allem muss ich meine Bewertung nicht jedem Menschen aufdrängen.
Wahrheit ist nichts objektives oder universelles, sondern für mich „liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters“. Wir alle beobachten die Welt aus unseren eigenen Augen (oder anderen Sinnen) und bilden uns unsere eigene Meinung.

Quasi hat jeder seine eigene kleine Welt.
Und manchmal finden sich Leute, mit denen man Schnittmengen hat.
Und manchmal sind diese Schnittmengen so intensiv, groß und/oder positiv, dass uns diese Berührung der beiden Welten gut bekommt. Dann wünschen wir uns Wiederholung. Wir kreisen um einander und berühren uns mal mehr, mal weniger.
Mit etwas Glück hat dann die eigene Welt bald ein Planetensystem.
Manche Planeten sind näher, manche sind ferner. Alle haben ihre eigene Umlaufbahn.
Manche sind Trabanten, die uns beständig begleiten, wie ein Mond und manche sind Wanderer (Planet bedeutet sogar Wanderer), die in verschiedenen Konjunktionen zu uns stehen.
Teilweise helfen uns diese Planeten sogar astrologisch dabei, unsere mögliche Zukunft zu erahnen.
Vielleicht finden wir auch unsere Sonne, den Menschen, der für uns einen Fix-Punkt darstellt, uns erleuchtet und uns wärmt.
Trotzdem bleiben wir immer unsere eigene Welt.

Jetzt war ich recht poetisch, vielleicht sogar philosophisch. Aber worauf will ich eigentlich hinaus?

Der Punkt ist – ich habe heute (wieder mal) bemerkt, dass ich Freunde habe.
Es gibt Leute, die mich auf meinen Wegen begleiten.
Mal näher, wenn ich eine Umarmung brauche, mal ferner, wenn ich Distanz benötige. An kleinen Gesten merke ich, dass ich anderen Leuten etwas bedeute.
Sei es einer meiner Mitspieler, der mir ein Headset gekauft hat, damit ich an der digitalen Version unseres Spieletreffens teilnehmen kann. Oder die im Schnitt recht vielen Menschen, die sich immer mal wieder nach meinem Befinden erkundigen.
Es gibt Leute, die sich mehr Gedanken über meinen Geburtstag machen, als ich selber es je machen würde.

Manchmal frage ich mich nach dem Warum?
Überraschung – ich kann mich selbst nicht gut leiden.
Folgerichtig macht es mich misstrauisch, wenn andere Leute das können.
Da muss doch was dahinter stecken !?!
Ich käme selber nicht mit mir als Sozialkontakt (oder gar Freund) klar. Ich würde mir nicht grundlos „Honig um den Bart schmieren“.
Was ist also die Motivation?

Das ist mir heute, an diesem sonnigem Sonntag, mal einfach piepegal.

Ich nehme heute einfach mal alle Freundschaften und Bekanntschaften als das Geschenk, das sie sind.
Ich genieße einfach, dass ich anderen Menschen wohl doch etwas bedeute.
Vielleicht sehe ich ja auch irgendwann, was meine Freunde in mir sehen.
Irgendwann werde ich diesen „blinden Fleck“ überwinden und damit ein Stück weiter in meiner eigenen Genesung und meiner Persönlichkeit kommen.
Ich danke schon jetzt all den Menschen, die mich auf dem Weg begleiten und mir zur Seite stehen.
Heute, an diesem Tag, habe ich die Gewissheit, trotz aller sozialen Distanz, nicht alleine zu sein.
Ich hoffe, ich kann euch auch als Freund, Bekannter oder auch als Genesungsbegleiter so helfen, wie andere Menschen mir helfen.

Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag und viele (distanzierte) soziale Kontakte,

Mit freundschaftlichen Grüßen,

Euer Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

Ein Kommentar

  • Frage mich grade ob du da über dich oder mich geschrieben hast.
    bei genauer betrachtung sehe ich du schreibst über dich,denn so ausführlich und Detailiert kann ich das nich.
    Jut jemacht Jung

    Schönen gruß
    Gandalf

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben