Der kurze Weg von Corona zu Diskriminierung
Schon wieder verhält sich ein Beitrag in seinem Verlauf nicht so, wie es sich der Mausebär (td) vorher gewünscht hat.
Gestern hatte ich die Ehre, den hundertsten Beitrag auf der Seite der „Erfahrungsexperten am Niederrhein“ zu veröffentlichen. Alleine in der Rubrik „Mausebärs Philosophien“ habe ich 65 der insgesamt 73 Beiträge, die auf meine Kappe gehen, einsortiert.
Wieder mal gibt mir dieses „Jubiläum“ Zeit zum Hinterfragen, denn bis zu meiner eigenen „großen 100“ als Autor unter dieser Rubrik ist es jetzt auch nicht mehr so weit.
Bei meiner jetzigen Schreib-, bzw. Veröffentlichungsrate von fünf Texten in der Woche werde ich in sieben Wochen das hundertste Mal für „Mausebärs Philosophien“ auf den Veröffentlichungsbutton gedrückt haben.
Das genaue Datum wird spätestens der 20. Juli sein, wenn mich nicht irgendetwas Unvorhergesehenes vom Schreiben abhält und ich jeden Text thematisch in „Mausebärs Philosophien“ einsortieren kann.
Aber wie wird meine Welt dann aussehen?
Zur Zeit hat die Krise für mich einen Flachpunkt erreicht. Nicht nur die gefürchtete Kurve der Neuinfektionen scheint konstant gesunken zu sein, sondern auch das Interesse.
Während vor ein paar Wochen noch jedem Corona-Pups medial höchste Aufmerksamkeit gewidmet wurde, scheinen sich die Medien endlich abgeregt zu haben.
Entweder habe ich es geschafft, sämtliche News-Ticker erfolgreich abzuschalten, oder das Thema wird langsam langweilig.
Die sozialen Medien sind, aus meiner Perspektive, sehr vehement in das Lager des „bedeutsamen schwarzen Lebens“ (#blacklifesmatter) umgezogen.
Ich finde es ein wenig zynisch, dass nach dem Tod eines Menschen, wegen dessen Hautfarbe, ein medialer Zirkus das nächste „Betroffenheitsschwein“ durchs Dorf treibt.
Damit will ich weder zum Ausdruck bringen, dass Gewalt gegen afroamerikanische Bürger, egal ob durch Polizei oder andere Menschen, in Ordnung wäre, das ist nicht so. Es liegt auch nicht in meinem Interesse, ein doch sehr prägnantes Rassismus-Problem in der amerikanischen Gesellschaft, oder der menschlichen Gesellschaft im Allgemeinen, zu verleugnen.
Was mich stört, ist die Art, in der diese Probleme angeprangert werden.
Sowohl im Protest, als auch in der darauf reagierenden Satire, werden Grenzen gefestigt statt eingerissen zu werden – so fürchte ich zumindest, aufgrund meiner Wahrnehmung der Berichte.
Es erstaunt mich immer wieder von neuem, welche Aufmerksamkeit auf das Ausgrenzen von Leuten gelegt wird – und zwar von unterschiedlichsten Seiten sowie aus mannigfaltigsten Gründen.
Gefühlt würde ich sagen, dass die Menschen, die heutzutage nicht zu mindestens einer „bedrohten Minderheit“ gehören, tatsächlich eine Minderheit sind.
Es ist eine Zeit, in der sich scheinbar jeder entweder persönlich angegriffen fühlt, oder für eine angegriffene Gruppe von Menschen Partei ergreift.
Nicht auf eine versöhnliche und vor allem nicht auf die aufklärende Art, sondern ich empfinde einen „sozialen Krieg“, der auf diversen Ebenen stattfindet.
Ich weiß nicht, ob es sich dabei um eine mediale Verzerrung oder um die Wirklichkeit handelt, aber tatsächliche Probleme werden in der Öffentlichkeit so dargestellt, dass meiner Meinung nach Brücken eingerissen werden, statt sie zu bauen.
Es werden Forderungen gestellt, statt sich auf den Weg zu Lösungen zu machen und „Feindeslager“ erschaffen. Mir kommt es so vor, als wäre die Frage der Schuld wesentlich bedeutsamer für alle Beteiligten, als die Suche nach konkreten Lösungen.
Prinzipiell fühle ich mich durch die gerade aufkeimende neue „Anti-Rassimus-Kampagne“ nicht angesprochen. Ich bin ganz bewusst weder ein Teil der Lösung, noch bin ich, trotz anderer Weltanschauung, ein Teil des Problems. Ich würde mich ganz gerne neutral sehen, obwohl ich, ganz ehrlich gesagt, ein Alltags-Rassist bin.
Manchmal sehe ich Menschen eines offensichtlich anderen kulturellen Hintergrundes und habe gleich ein Bild im Kopf.
Das Bild ist nicht negativ oder positiv, sondern im Prinzip einfach nur eine Schublade, welche mir hilft, die vielen Menschen, die ich sehe, einzusortieren.
Natürlich knüpfe ich daran eine Erwartungshaltung, also Vorurteile und bin meist überrascht, wenn diese sich als falsch erweisen.
Das tue ich in allen möglichen Dingen, nicht nur bezogen auf Hautfarbe, Geschlecht, Altersgruppe oder religiöser Zugehörigkeit, sondern auch nach Haarfarben, Vornamen, Modegeschmack und ähnlichem.
Warum tue ich das?
Ich bin ein Angstmensch, daher versuche ich eine gewisse Kontrolle über meinen Alltag zu behalten.
Menschen durch Vorurteile einzusortieren, hilft mir bei der schwierigen Entscheidungsfindung, wie ich mich verhalten soll, wer mir als potentielle Gefahr auffällt oder wer mich interessiert (oder auch nicht).
Dafür schäme ich mich nicht im geringsten, sondern so arbeitet mein Gehirn einfach.
Ein grundsätzliches Problem sehe ich darin, wenn ich entweder anfangen würde, aus Vorurteilen heraus zu hassen oder eine Machtposition zu missbrauchen, um vorurteilsorientiert Entscheidungen zu treffen, die von der Sache an sich her eigentlich eine neutrale Betrachtung verlangen.
Wenn ich neue Menschen kennenlerne, also mich jemand entweder interessiert, mir vorgestellt wird oder ich an einer gemeinsamen Gruppenaktivität teilnehme, versuche ich stets, meine Vorurteile zu unterlassen, bzw. zu unterdrücken, weil ich den Menschen hinter all den Eigenschaften, die ich erkennen kann, sehen möchte.
Daraus habe ich gelernt, nicht nur meine Schubladen regelmässig zu entstauben, sondern auch, dass bei der Auswahl meiner Freunde und Bekannten viele Faktoren einfach keine Rolle spielen.
Manchmal wundere ich mich, warum andere Leute dem soviel Bedeutung zumessen.
Meine ganze Gedankenreise zeigt mir eines – im Prinzip vermisse ich anständige Diskussionskultur und vernünftige Debatten. Gefühlt wird nur über Nachteile und Anschuldigungen geredet, statt mal klar zu stellen, welche Vorteile eine möglichst vorurteilsneutrale Welt hätte.
Natürlich werden Menschen immer Vorurteile haben, aber eine Begegnungsstätte hilft mehr, diese abzubauen, als jedes Antidiskriminierungsgesetz – jedenfalls ich werde davon deutlich mehr angesprochen.
Meiner Meinung nach ist es deutlich schwerer, einen Menschen zu hassen, dessen Leben man kennengelernt hat.
Um eine Gruppe zu bilden, habe ich mal gelernt, ist es wichtig, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und nicht nach Unterschieden. Eindeutig genieße ich bei Menschen, mit denen ich eine gemeinsame Ebene gefunden habe, sehr gerne die Unterschiede.
Für mich ist eine wichtige Lebensentscheidung somit getroffen: Ich teile weiterhin die Menschen nach „mag ich“ oder „mag ich nicht“ ein und entscheide, mit wem ich spielen möchte – da bleibe ich einfach ganz Kind, denn Kindern ist so vieles einfach egal, solange das Gegenüber einfach ein toller Spielkamerad ist.
Eigentlich wollte ich weiterhin überlegen, wie es mit Corona weitergeht und wie meine weiteren Beiträge gestaltet werden. Ich frage mich ja doch, ob meine mausebärischen Coronachroniken die Marke von 100 Beiträgen unter „Mausebärs Philosophien“ erreicht und wie es dann weitergeht.
Ganz gegen mein inneres Bestreben habe ich mich wieder mit Dingen beschäftigt, die mich nur rudimentär etwas angehen. Mal wieder habe ich meine Weltsicht laut herausgeschrieben und das, obwohl ich doch verbale Fastenzeit halten wollte.
Zumindest habe ich einen Beitrag erstellt und bin selbst erstaunt, welche Wege er genommen hat.
In diesem Sinne grüßt Euch Alle der Mausebär (td)
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