Andenken

Ich habe vorhin lange überlegt, ob ich heute überhaupt etwas schreibe. nicht weil ich mein freies Wochenende (siehe Blogbeitrag von gestern) genießen möchte, sondern weil heute ein besonderes Datum ist.

Heute, vor zwei Jahren (also 2021), befand ich mich in einer Rollenspielsitzung mit Freunden, als der Pfleger meiner Frau plötzlich meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich klinkte mich aus dem (zum Glück) Online-Gespräch aus und begab mich ein Stockwerk tiefer (damals hatte ich meine Kommunikationszentrale direkt unter dem Dach).

Für alle meine Leser, die es nicht wissen. Der Mausebär war verheiratet und zwar mehr als zwanzig Jahre. Zwischen Abitur und Bundeswehr habe ich eben noch den Abstecher zum Standesamt gemacht und meine damalige Freundin geheiratet.
Wir haben lange Jahre Seite an Seite gestanden und viele Krisen, die uns von Außen bedrohten gemeistert. Sie war für mich da, als ich meine schlimmsten Abgründe durchwanderte und ich habe sie auf ihren Wegen begleitet. Es war nicht immer harmonisch, aber immer war der Wille da unsere Harmonie wieder zu finden.
Als es beschlossen war, wieder in in mein Elternhaus (nach Kempen) zu ziehen, mitten in der Umzugsorganisation, bekam sie einen Schlaganfall und war dem Tod näher als dem Leben.
Nach einigen riskanten Operationen und einer heftigen Zeit wurde sie als schwerstbehinderter Pflegefall in die häusliche Pflege entlassen.
Mit Hilfe eines 24-Stunden-Intensivpflegedienstes konnte sie zuhause, so etwas wie Leben. ich sage so etwas, weil sie Beatmung brauchte und sich nicht mehr selbständig bewegen konnte. Unterhalb des Halses war Schluss. Sie war ans Bett gefesselt, abhängig von der Hilfe von Anderen.

Am Anfang war da noch viel Hoffnung, es könnte sich etwas bessern. Ihr Leben könnte qualitativ besser werden. Und noch heute frage ich mich, ob ich alles getan habe, was ich hätte tun können (und meine ehrliche Antwort muss „Nein“ lauten, da ich selber überfordert war).
Es fingen ein paar Jahre an, die obwohl man es meinen könnte, gar nicht so schrecklich waren, sondern eher seltsam. Meine Wohnung musste ich mir mit dem Personal vom Pflegedienst teilen (24 Stunden am Tag, wegen der Beatmung) und es brach mir nicht nur meine wichtigste Stütze weg, sondern natürlich musste ich als ihr gesetzlicher Betreuer plötzlich viele Dinge regeln (bei dem man kaum Beratung und Unterstützung bekommt).
Gleichzeit versuchte ich mein Leben umzukrempeln und mich meinen inneren Dämonen zu stellen.

Es war, als würde sie für mich durchhalten, den je sicherer ich in meinem Umfeld wurde und je mehr Selbständigkeit ich gewann, umso mehr zog sie sich weiter in sich zurück. Nach einem schlimmen Abend beschlossen wir (der Pflegedienst, Meine Mutter und Ich), die Pflege auf palliativ umzustellen. Also nicht mehr mit Verbesserung zu rechnen, sondern es ihr so bequem wie möglich zu machen. das beinhaltete auch die Möglichkeit zu gehen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Wir beschlossen ihr den Stress eines weiteren Krankenhausaufenthaltes zu ersparen, sie sollte ab jetzt zuhause bleiben dürfen.

An jenem Tag vor zwei Jahren war es dann soweit. Weder der Pfleger, noch der Rettungsdienst konnte sie wieder stabilisieren, bzw. reanimieren. Sie hatte sich entschlossen zu gehen, endgültig.

Ich kann es verstehen, sie hat mutig durchgehalten, um weiter mein Anker zu sein, aber sie hat auch gemerkt, dass ich soweit war, alleine klar zu kommen. Und dann, dann ist sie dorthin gegangen, wo sie nicht mehr an ein Bett gefesselt war. Sie hat mich nicht verlassen, sonder wir haben losgelassen.

Ich hatte ein Versprechen gegeben, „bis das der Tod euch scheidet“, ein Versprechen, was wir beide geehrt haben und bis zum Ende eingehalten haben. Auch jetzt Liebe, Ehre und Achte ich sie noch (oder besser gesagt ihr Andenken) und wenn ich der Mann bin, der ich hoffe und glaube zu sein, werde ich das bis zu meinem Tod auch weiter tun. das heißt nicht, dass es nicht andere menschen in meinem Leben geben darf, sondern, dass ich die Erinnerung in mir trage und daran denken werde, was mir diese langen Jahre bedeutet haben.

Ich bin heute nicht traurig, sondern eher wehmütig. Es sind nicht die Toten, die zu betrauern sind, sondern die Hinterbliebenen. Ich brauche keine Trauer, sondern feier heute in mir meine geliebte Walküre, deren Art zu sein mich berührt hat und mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin.

Wir werden uns an Odins Tafel wieder sehen und unsere Erinnerungen erneut miteinander teilen. Deshalb werde ich weiter kämpfen um mich (wie sie es getan hat) Valhalla als würdig zu erweisen.

Heute in einem Potpourri von Gefühlen versunken,

Euer Mausebär

4 Kommentare

  • Lieber Mausebär,
    mir laufen gerade viele Tränen durchs Gesicht und ich weiß genau was du sagen möchtest, ich hoffe es zumindest.
    Loslassen egal von welcher Seite, ist so schwer, zerreißt einen in jeglicher Hinsicht
    Ich hoffe wie du, das es ein Wiedersehen geben wird und egal wo wir uns dann befinden, die Liebe die uns verbunden hat, nie vergehen wird.
    Drück dich ganz lieb ✊️

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  • Ich denke immer an Karen und Dich wenn ich in die Küche gehe.
    Insofern werde ich sie auch nie vergessen.
    Knuddlz

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