Das Paradoxe am Toleranz-Paradox

Heute neigt der Mausebär mal wieder dazu, eine Meinung zu haben und angefeuert durch einigen Schwachsinn, den ich in letzter Zeit durch die sozialen Medien habe gurken sehen, will ich mich heute mal mit dem sogenannten Toleranz-Paradox kritisch auseinander setzen.

Fangen wir doch erstmal damit an, was Toleranz eigentlich ist (oder auch nicht ist).

Toleranz, auch Duldsamkeit, bezeichnet als philosophischer und sozialethischer Begriff ein Gewährenlassen und Geltenlassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Umgangssprachlich meint man damit häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung, die aber über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht.[5

Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen tolerare („erdulden“, „ertragen“) entlehnt.[] Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem 18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung, belegt,[] ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als die eigene“.

Der Gegenbegriff zu Toleranz ist die Intoleranz, in der Bedeutung „Unduldsamkeit“ im 18. Jahrhundert aus dem französischen intolérance entlehnt. Als Steigerung der Toleranz gilt die Akzeptanz, die gutheißende, zustimmende Haltung gegenüber einer anderen Person oder ihrem Verhalten, aber auch gegenüber sich selbst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz

Der Mausebär erkennt darin gleich mehrer wichtige Punkte:

  • Ist jemand Tolerant, so ist er duldsam, bzw. nachsichtig, heißt er duldet etwas, ohne es gut zu heißen. Dass heißt aus Toleranz folgt kein Einverständnis mit den Dingen, die man toleriert, sondern nur die Bereitschaft, diese Dinge als gegeben anzuerkennen.
  • Die Bedeutung der Toleranz als Ausdruck von Gleichberechtigung ist nur Umgangssprachlich vorhanden. Toleranz setzt im eigentlichen keine Gleichberechtigung oder Gleichwertigkeit voraus (das wäre dann Akzeptanz), sondern lediglich die Bereitschaft etwas zuzulassen.
  • Toleranz als Charaktereigenschaft bedeutet somit lediglich die Bereitschaft andere Menschen gewähren zu lassen und sie nicht unnötig in ihren Ansichten zu belästigen, solange diese zu Erdulden sind.
  • Toleranz kann immer nur aus einer Position der Macht heraus geschehen, denn etwas zu dulden, als aktive Entscheidung setzt voraus, dass ich die Wahl habe, die betreffende Sache auch nicht zu dulden und somit zu verbieten oder zu unterbinden.

Man kann zusammenfassen, dass wenn man etwas nicht unbedingt gut heißt (oder anderweitig damit nicht konform ist) und die Möglichkeit hat, diese Sache zu unterbinden, es aber aus Großzügigkeit unterlässt, dann ist man tolerant.
Das wäre die ganz einfach und basische Definition von Toleranz.

Somit sagt auch der Umkehrschluss, dass wenn ich etwas erdulde, was ich selbst überhaupt nicht unterbinden kann, so ist das keine Folge meiner eigenen Toleranz im eigentlichen Sinne, sondern eine Form des Hinnehmen (was im weiterem Sinne auch Toleranz ist).

So betrachtet ist Toleranz plötzlich gar kein freundliches Wort mehr, sondern zeugt von einer gewissen Arroganz und der höheren Bewertung der eigenen Meinung. Denn wenn ich andere Meinungen toleriere, bewerte ich sie damit gleichzeitig als etwas, was erduldet werden kann (oder muss). Das zeigt, meiner Meinung nach, eher eine Abwertung der anderen Meinung, denn wenn ich sie toleriere, dann bewerte ich sie als Hinnehmbar, also gleichzeitig als nicht-vertretbar und als so ungefährlich, dass ich ihre Existenz nicht bekämpfen muss.

Soviel zur (ach so tollen) Toleranz. Aber was ist jetzt das Toleranz-Paradox?

Tatsächlich wird dieses Paradox ja gerne immer wieder zitiert und angebracht.
Letztendlich geht es zurück auf den Philosophen Karl R. Popper, der 1945 sich ausgiebig in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ mit Toleranz (und Intoleranz) im Bezug auf die Gesellschafts-Philosophie und Sozialwissenschaften beschäftigte.
Die Frage nach dem Toleranz-Paradox beschäftigt sich mit dem Problem, das eine eigentlich tolerante Gesellschaft, bzw. tolerante Macht aufgrund ihrer eigenen Toleranz, intoleranten Mächten erlaubt, die eigene Toleranz zu beschränken (oder zu verhindern). Oder anders gesagt, das Problem, das eine Gesellschaft, die alles toleriert auch diejenigen Kräfte toleriert, die die tolerante Gesellschaft abschaffen wollen und diese Kräfte somit gewähren lässt (und damit indirekt unterstützt).
Ein Beispiel dafür ist, dass eine echte Demokratie stets in der Gefahr ist, sich selber abzuschaffen, da die undemokratischen Kräfte, die im eigenem System arbeiten soviel politische Macht erlangen können, dass sie die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln umgehen (wie zum Beispiel die Machtergreifung des dritten Reiches).

Aus dieser Gefahr heraus, dass die Toleranz auch intoleranter Denkweisen eine latente Gefahr für eine tolerante Gesellschaft darstellt, formulierte Karl Popper folgenden Gedanken:

„Damit möchte ich nicht sagen, dass wir z. B. intolerante Philosophien auf jeden Fall gewaltsam unterdrücken sollten; solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können, wäre ihre Unterdrückung sicher höchst unvernünftig.
Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken, denn es kann sich leicht herausstellen, dass ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen; sie können ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente – die sie ein Täuschungsmanöver nennen – zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten.
Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.“

Karl R. Popper

Karl Popper selber bezeichnete dieses Vorgehen als Ultima Ratio (also als „Letzte Lösung“) und forderte auf, diese Art des Denkens nur umsichtig einzusetzen, halt um zu verhindern, dass eine tolerante Gesellschaft sich selber abschafft.

Aber das was jetzt im Namen dieses Paradox auf den sozialen Medien geschieht ist problematisch, denn die meisten Menschen lesen diese Gedanken als die einfache Botschaft „Wenn ich wirklich tolerant sein will, muss ich zeitgleich intolerant gegen Intoleranz sein“.
Heißt um die allgemein tolerante Haltung zu erhalten, muss man intolerante Kräfte daran hindern, die Toleranz zu beschädigen (oder gar zu vernichten).

Aber wo ist die Linie?
Wann ist es in Ordnung, etwas als Unduldbar anzuprangern?

Es gibt wohl keine einfache Lösung, aber der Punkt ist, anderer Leute Ansichten und Meinungen (egal wie Intolerant sie einem vorkommen) nicht zu tolerieren, ist einfach nicht Tolerant. Und dieses in die Aufforderung zu verpacken, solches Gedankengut nicht zu tolerieren ist irgendwo ja auch eine Bewegung, die Intoleranz predigt.

Schon seit Jahrzehnten habe ich mich entschlossen, mich keiner Gruppierung anzuschließen, die das Wort „Anti-“ in ihrem Namen hat. Ich will keiner Gegenbewegung angehören, weil das meinem Toleranzbegriff widerspricht.
Lieber bin ich in Pro-Bewegungen, also bei Leuten die für etwas kämpfen.
Daher werde ich mich nicht einer Gruppe anschließen, die sich die Vernichtung der Intoleranz auf die Fahne geschrieben hat, sondern unterstütze lieber Leute, die eine tolerante Gesellschaft fördern.

Und wer sich auf Popper bezieht, was das Intoleranz-Paradox angeht, der sollte auch mal weiter lesen. Denn Popper empfindet solche Menschen als intolerant, die sich einem rationalem Diskurs verweigern.
Wer „nicht mit Nazis diskutiert„, aus welcher Erfahrung oder Gründen auch immer ist gleich doppelt intolerant, denn zum einem unterstellt er jemanden ein Meinungsbild, ohne es vorher zu prüfen und er verweigert sich dem Diskurs.

Es ist völlig in Ordnung seine eigene Linie im Sand zu ziehen und zu klären, bis wohin man bereit ist Sachen zu dulden.
Nicht in Ordnung ist es, anderen Leuten diese Linie auch aufzudrängen und deren Toleranzfähigkeit auf der Basis der Ähnlichkeit der Linienführung zu bewerten.

Nachdenklich,

Euer Mausebär


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