Hightech

Wow, ich bin heute Grün (wie ihr sehen könnt). Alles nur weil ich die Filterfunktion in meiner App, mit dem ich mich täglich aufnehme, gefunden und wieder einmal ein wenig herumgespielt habe.
Es ist erstaunlich was heutzutage alles per Knopfdruck geht.

Ich erinnere mich an meine Schulzeit (damals, als noch die Mammuts über das Land zogen und die Nashörner noch ordentlich Wolle hatten). Damals habe ich mein Schülerpraktikum bei einer Druckerei gemacht (ich wollte in eine Zeitungsredaktion, bin aber in der Druckerei gelandet und hatte mehr Spaß, als ich gedacht hätte). Diese Druckerei, die auch eine wöchentliche Zeitung herstellte, hatte natürlich ein Fotolabor (größtenteils zur Herstellung von Offset-Druckplatten, aber egal) in der die Bilder aus der Redaktion „druckreif“ gemacht wurden.
An einem ruhigen Nachmittag erfuhr ich dort einige Kniffe und Feinheiten, mit denen man Bilder manipulieren kann.

Damals war das ein Handwerk und quasi viel Wissen, Können und Erfahrung und Heute…

…Heute klappt sowas narrensicher mit einer beliebigen Bildbearbeitungssoftware, die meist zur Kamera dazu geliefert wird. Einige Sache passieren automatisch, einige auf Knopfdruck, aber alles, was ich damals bestaunt habe, kann ich heutzutage mit wenig Aufwand zuhause auf meinem PC reproduzieren, sogar als (interessierter) Amateur.

Aber was bedeutet das, bei näherem Nachdenken?

Natürlich denkt der Mausebär weiter und fragt sich natürlich, welche Auswirkungen hat es, wenn diese Möglichkeiten plötzlich quasi jedem zur Verfügung stehen.
Ein altes Sprichwort sagt, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Nichts überzeugt uns mehr, als Dinge, die wir mit eigenen Augen sehen. Und auch in der Kenntnis, das wir (sogar live und direkt) optischen Täuschungen aufsitzen können, haben wir meist ein starkes Vertrauen in unsere eigene Wahrnehmung und Sehkraft.
Täglich werden wir jetzt aber mit tausenden Bildern bombardiert, aus verschiedensten Richtungen und alle zeigen ihre eigene Wahrheit. Und wir vergessen gerne, wie leicht wir getäuscht werden. Das fängt damit an, das ein Bild (oder Aufnahme) immer nur einen Teil des ganzen darstellt (zumeist sogar gezielt den Teil, den uns der Ersteller zeigen will). Die sogenannte Bildkomposition (also Winkel der Aufnahme, Ausschnitt, Beleuchtung, Motivwahl) ist schon die erste Form der Auswahl die getroffen wird. Danach wird aus einer Serie von Bildern das Aussagekräftigste (nach Meinung des Erstellers) herausgenommen (oder bei Videos entsprechend geschnitten) und dann digital nach bearbeitet. Unliebsame Tatsachen werden ausradiert oder Dinge hinzugefügt.

Nichts manipuliert unsere Wahrnehmung besser als Bilder (oder Filme) und häufig vergessen wir die Geschichte dahinter und den Kontext in dem das Bild entstand. Auf vielen Plattformen werden wir mit Bildern bombardiert und haben nicht einmal mehr die Gelegenheit zu sortieren und einzuordnen.
Unsere Wahrnehmung wird teilweise bewusst oder auch unbewusst manipuliert und viele parallele wahrheiten etabliert. Und je nachdem was wir zuerst (oder am häufigsten) sehen, werden wir von einer dieser Wahrheiten eingenommen.

Währe ja in Ordnung, wenn dafür zum einen in der breiten Bevölkerung ein Bewusstsein bestehen würde und zum anderen Leute unterschiedliche Wahrheiten tolerieren könnten. Beides ist (meiner Wahrnehmung nach) leider nicht so.
Mit dem technischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte konnte weder die Vernunft, noch die Moral und erst Recht nicht die Aufklärung mithalten. All die schönen neuen Spielsachen, ohne die Erkenntnis, welchen Schaden man damit anrichten kann.

Und die Vielfalt von Meinungen öffnet ja leider nicht auch automatisch den geist. Im Gegenteil.
Durch die Überforderung unserer Wahrnehmung suchen wir immer verstärkter nach einfachen Antworten. Nach einer Struktur im Chaos und der Möglichkeit Ruhe zu finden.
Wir möchten an etwas Glauben, was uns Sinn zu geben scheint und am besten noch Bedeutung oben drauf.

Daher verfallen einige Menschen heutzutage geradezu in einen Meinungswahn. Einer Art Pseudoreligion, deren Anhänger die eigene wahrheit verteidigen und dabei sektenähnliche Strukturen aufbauen.
Egal welches politische Spektrum oder welche große Wahrheit, es wird darum gekämpft, gestritten, Fronten aufgezogen und die Gegner diffamiert und vernichtet (zumindest sozial).
Ein Austausch findet nicht statt, den der Wahrheitsanspruch ist absolut.

Und so machen wir, bei aller technischen Entwicklung, gesellschaftlich gesehen einen Rückschritt nach dem Anderen und merken nicht, wie wir die dystopischen Prophezeiungen der Denker vor uns (z.B. George Orwell mit „1984“, Harry Harrison „New York 1999“ Aldous Huxley „Brave New World“ Bruce Sterling „Inseln im Netz“ und viele weiter) langsam immer mehr ansteuern.

Ich würde mir mehr „High Spirit“, statt Hightech wünschen.
Eine neue Welle der Aufklärung, die uns wieder zu mehr Vernunft führt, wäre echt toll.

Euer Mausebär

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