Meinungsfreiheit und Würde

Triggerwarnung: heute könnte es tatsächlich mal wieder ein wenig politisch werden

Der Mausebär hat eine Meinung. sehr häufig und zu vielen Dingen. Und meistens ist es weder die populäre noch die populistische Meinung, sondern ein Konstrukt, welches sich im Mausebären-Denkzentrum entwickelt hat.
Der Nachteil ist, dass solche Meinungen meistens recht unbequem sind.

Denkprozesse

Aber erst einmal versuche ich zu erklären, wie eine Meinungsbildung beim Mausebären funktioniert.
Zuerst muss ich einmal von der Thematik Kenntnis nehmen (was ich nicht bewusst wahrnehme ist auch kein Teil meiner Meinungsbildung), sprich entweder werde ich darauf angesprochen, oder ich bemerke ein Thema (zum Beispiele durch Medienkonsum).
Sofort beginnt ein Bewertungsprozess und es werden zwei Faktoren geprüft:

  1. Betrifft das Thema mich (Werde ich davon berührt, verändert es mein Leben oder meinen Alltag)?
  2. Interessiert das Thema mich (Werde ich neugierig oder ist es mit Themen oder menschen die mich bewegen verknüpft)?

Kann ich beide Fragen mit einem klaren „Nein“ beantworten, ist mein Meinungsprozess mit der Erkenntnis, dass ich zu diesem Thema keine Meinung habe oder brauche, abgeschlossen (das kann zu einem anderen Problem führen, aber dazu komme ich später).
Sollte ich allerdings eine (oder gar Beide) Fragen mit „Ja“ beantworten, geht der Prozess weiter.

Als Erstes sammel ich die gerade präsenten Eindrücke, Fakten und Meinungsbilder. Also alles zum Thema, was gerade vor mir ist.
Diese Punkte gleiche ich dann (wie wahrscheinlich jeder Mensch) mit meinem eigenen Kenntnissen, Wissen und Vorurteilen ab. Wichtig ist mir da auch eine Transferleistung zu anderen Disziplinen, heißt, dass ich zum Beispiele auch wissenschaftliche Eindrücke bei philosophischen Fragen bedenke, mein Wissen über Wirtschaft auf politische Meinungen anwende und meine Kenntnisse über Religion auch gerne mit Geschichtswissen verknüpfe. Kurz gesagt, ich versuche Erkenntnisse aus anderen bereichen zu übertragen, um zu sehen, ob das System kompatibel ist, also ob ich was bei dem einen klappt, auch auf das andere anwenden kann.
Als nächsten Schritt versuche ich Lücken zu füllen, in dem ich nach fehlendem wissen suche. Sowohl Sachbücher als auch gerade das Internet sind da eine große Hilfe, auch wenn man dazu viel filtern muss.
langsam bildet sich eine gefühlt profunde (also feste) Meinung, die ich jetzt auf meinen eigenen Prüfstand stelle, sprich ich teste den Umkehrschluss (Wenn A zu B führt, dann sollte auch B zu A führen) und suche Lücken in meinen Argumentationsketten und teste sie an fiktiven Szenarien (ich überlege mir kurz gesagt, gilt das was ich herausgefunden habe immer und wenn nein, wann und warum nicht).

Nun ist meine Meinung fast fertig, denn noch ist sie jungfräulich. Eine haltbare Meinung bedarf erst der wohlmeinenden Diskussion. Erst wenn meine Vorstellung auf andere übertragbar ist (nicht das ich überzeugen will, sondern nur herausfinden, wo andere die Fehler sehen), wird das Ganze langsam zu einer Feststellung (auch hier lauert eine Gefahr, die ich gleich noch aufgreife).

In jedem dieser Punkte verändert sich meine Meinung, macht einen Prozess durch, um dann im Feuer der Diskussion gestählt zu werden (ja, die Wahrheit ist ein Schwert, was besser nicht in die Hand von unbedachten oder bösartigen Menschen gehört).

Jetzt habe ich eine Meinung

Der Mausebär ist ein Fan der Meinungsfreiheit und redet auch gerne über Meinungen. Vor allem weil ich, als genereller Anhänger der philosophischen Schule der Skeptiker, vieles, was andere Menschen als Wahrheit bezeichnen, auch nur als eine Sicht auf die Dinge (und somit als Meinung) betrachte. Die Wahrheit ist für mich halt etwas individuelles, quasi unser höchstpersönliches Dogma.
Daher bin ich auch bereit, mich hin und wieder auf andere Wahrheiten einzulassen (ich nenne das gerne Perspektivenübernahme), auch um meinen eigenen Horizont zu erweitern und auf den Prüfstand zu stellen.
Ich lerne halt jeden Tag etwas Neues und daher verändert sich meine Sicht auch jeden Tag ein winziges Stückchen.

Meine Denkfallen

Meine Problem (wie oben versprochen) sind dann natürlich zum einen, dass wenn ich zu etwas keine Meinung habe, aber mitreden will, ich mir eine Meinung „von der Stange“ nehme.
Da ich aber gerne diskutiere (manchmal mit zu viel Feuereifer) erkennt man bei mir nicht so leicht, ob es gerade „meine Meinung“ oder „eine Meinung“ ist, die ich vertrete oder gar verteidige.
Vielleicht muss ich da, in Rücksicht auf meine Mitmenschen, aber auch für mich ein wenig transparenter werden.
Auch dass ich meine Meinungen auf den Prüfstand stellen und sämtliche Lücken genau füllen will, ist manchmal den sozialen Miteinander abträglich. Ich diskutiere dann einfach zuviel, weil ich zum einen verstehen möchte, warum mein gegenüber die Meinung hat, die er vertritt (und wo mein oder sein Denkfehler liegt – was meist Unsinnig ist) und zum anderen sehr aggressiv wirken kann (was ich leider noch nicht unter Kontrolle habe).
Grundsätzlich ist ein Problem, dass ich eine andere Vorstellung von einem guten Meinungsaustausch als andere Menschen habe. Ich denke nicht das ich (oder der andere Beteiligte) seine Meinung ändern oder anpassen muss. Eine gute Diskussion ist ergebnisoffen und daher kann und darf auch alles passieren. Im besten Fall lernen alle Beteiligten, samt den unschuldigen Opfern (ähhh, im meine Zuhörern) etwas dabei.

Leider bin ich manchmal sehr ungeduldig und komme nicht damit klar, wenn mir jemand zäh und langsam Zusammenhänge und Argumente darlegt, die ich bereits in betracht gezogen habe. Durch meine Ungeduld verpasse ich vielleicht wichtige Nuancen und vor allem bin ich unhöflich.
In der Hinsicht habe ich noch deutliches Lern- und Verbesserungspotential

Der Übergang zur Würde

Die Freiheit des Einen endet an dem Recht des Anderen.
So könnte man sagen.
Und da unser Grundgesetz jeden Menschen sowohl das Recht auf Meinungsfreiheit, als auch auf Würde zuspricht, endet die Freiheit meiner Meinung da, wo die Würde eines anderen Menschen davon beschnitten wird.
Ist manchmal nicht schön, aber es sollte klar sein, das Anschuldigungen, Beleidigungen und persönliche Angriffe nicht durch die Freiheit der Meinung geschützt sind (und das ist auch gut so).

Leider vergessen viele Menschen (inklusive des Mausebären) das gerne mal und überschreiten die Grenze. Das sollte man kritisch betrachten und daraus lernen, denn wenn ich die Würde meines Gegenübers verletzte, erreiche ich erst einmal gar nichts, außer das ich eine Distanz aufbaue, die schwer wieder zu überwinden ist.
Wenn ich ernsthaft einen Meinungsaustausch anstreben, dann muss ich die Argumente und Meinungen meines Gegenübers respektieren und tolerieren lernen, auch wenn ich sie weder akzeptieren noch übernehmen will.
Vielfach findet sich eine Lösung, wenn man die Gründe der Meinung erörtert und manch ein Kompromiss kann auch darauf hinauslaufen, dass beide Parteien bekommen, was ihnen wichtig ist, unter Verzicht auf etwas unwichtiges.

Und dann drehen wir (wie ich es gerne auch mal mache) die ganze Sache auch mal herum und stellen fest, dass auch manchmal die eigene Würde an der Meinungsfreiheit eines anderen Menschen endet. Damit will ich sagen, dass sich zwar niemand beleidigen oder herabsetzen lassen muss, sich aber manchmal auch selber hinterfragen sollte, ob er tatsächlich angesprochen ist.
Zu viel Empfindlichkeit kann nämlich genauso schnell nach hinten losgehen, wie eine beleidigende Meinungsäußerung.
Zu einer Beleidigung gehören nämlich beide Aspekte, das Gefühl der Ehrverletzung (also die Beeinträchtigung der Würde) und die Absicht der Ehrverletzung.
Heißt will ich jemanden mit einer Aussage herabsetzen (aus welchem Grund auch immer) und der Empfänger empfindet das als Herabsetzend, dann ist eine Beleidigung gegeben. Ist aber der Empfänger davon nicht berührt, erreicht es den falschen Empfänger oder hat sich der Sender falsch ausgedrückt, sollte man das Ganze noch einmal überprüfen.
Vielleicht sollte man sich öfter der Frage: „Wie ist das gemeint?“ bedienen, statt sich gleich aufzuregen.

Und man sollte Konsequent sein. Denn nur weil man beleidigt wird, heißt dass nicht, dass nun alle Dämme gebrochen sind. Wenn mich jemand verbal angreift und mich verletzt, habe ich zwar jedes recht mich zu verteidigen, aber ich sollte nicht selber beleidigend oder angreifend werden. Die Handlungen eines anderen Menschen sollten niemals meine eigenen Handlungen rechtfertigen, oder wie unsere Großmütter sagten: „Wenn alle von der Brücke springen, springst Du dann hinterher?„.
Wer auf eine moralische Regel besteht, sollte sie auch selber anwenden und benutzen

Achtung politisch:

Wer nicht möchte, das Menschen ausgegrenzt, herabgesetzt und/ oder diskriminiert werden, sollte andere Menschen (selbst wenn sie genau das tun) nicht als „Nazis“ bezeichnen, weil auch das herabwürdigend und beleidigend ist.
Wer sich daran stört, dass manche Leute andere menschen als „Nazis“ bezeichnen, sollte nicht mit „Linksversüffter…“ zurück argumentieren.
Wer nicht möchte, das Menschen ausgeschlossen werden, sollte nicht zum sogenannten „Canceln“ einzelner Meinungen, Werke oder Sachverhalte aufrufen, sondern sich kritisch damit auseinander setzen.
Vielleicht ändert der respektvolle Umgang und die sachliche Auseinandersetzung nicht die Meinung des Urhebers, aber garantiert beeinflusst es die Wahrnehmung von Dritten.
Wenn jemand sachliche politische Argumente bringt, höre ich ihm zu und denke darüber nach, doch wenn einer (egal ob mir oder dritten gegenüber) beleidigend wird, dann werden seine Argumente (selbst wenn welche folgen) mich nicht mehr erreichen.
Und wer andere Meinungen nicht tolerieren kann oder will, sollte nicht zum Meinungsaustausch anregen, sondern bitte einfach brav in seiner Ecke bleiben und andere Menschen nicht belästigen, denn die Meinungsfreiheit endet an der Würde des Gegenübers (unabhängig dessen eigener Gesinnung oder Meinung)

Mausebär-Meinung (zitierbar)

Achtung, noch viel politischer:

Wer das Toleranzparadox von Karl R. Popper missbraucht, um seine eigene Intoleranz zu entschuldigen, ist selber einer der Leute vor denen Popper uns warnen wollte.
Natürlich darf ein Mensch der an die Werte der Toleranz glaubt, die Intoleranz nicht tolerieren. Er muss dagegen aufstehen und seine Stimme erheben. Aber vielleicht nicht unbedingt auf intolerante Art und Weise.
Durch eigen Intoleranz (nach dem Motto „mit denen kann man nicht diskutieren„) rettet man nicht die Toleranz, sondern man tritt selber mit darauf ein.

Noch mehr mausebär-Meinung (auch zitierbar)

Fazit:

Vielleicht ist man gut beraten, wenn man mit seinen Meinungen auch bei sich bleibt und die Ich-Botschaft bevorzugt. Durch das Gespräch kann dann eine Ich-Du-Austausch stattfinden, der dazu beiträgt, das gemeinsame Wissen zu erweitern.
auch ich, als Mausebär möchte daran arbeiten.
Dazu gehört:

  • Vorschläge zur Verbesserung zu machen, statt sich nur zu beschweren
  • Argumente ernst nehmen, auch wenn man sie bereits widerlegt hat
  • Dem Anderen Zeit geben und Nachfragen erlauben und anregen
  • Selber nachfragen, statt anzunehmen oder zu unterstellen
  • Die Augenhöhe wahren und das Gegenüber weder erniedrigen noch überhöhen
  • Bdeim Thema bleiben und bei notwendigem interdiziplinärem Blick versuchen sein Gegenüber mitzunehmen
  • Auf rhetorische Techniken und Überzeugungsarbeit einfach mal verzichten und seiner eigene Meinung vertaruen

Wie gesagt, der Mausebär muss noch viel daran arbeiten und wird bestimmt noch häufig patzen. Aber ich denke, meine Freunde werden mich liebevoll kritisieren und darauf Hinweisen, vielleicht auch mit Verweis auf diesen Text. Und irgendwann werde ich das ganz natürlich anwenden könne (/so hoffe ich).

Doch bis dahin habe ich noch eine kleine Botschaft für alle jene Menschen, die denken, sie müssten andere Menschen in Schubladen stecken und die nicht in der Lage sind vorurteilsfrei und ohne persönliche Angriffe zu diskutieren…


Der Mausebär hat eine Meinung
(und schämt sich dafür, dass er sie nicht besser Mitteilen kann)

So, morgen vielleicht wieder etwas netter und ziviler, aber beim Mausebär weiß man ja nie.

Ich genieße jetzt den Resttag und verbleibe;

Euer Mausebär

Ein Kommentar

  • Sehr gut geschrieben, aber mußte ich zweimal lesen, um alles zu verinnerlichen
    Gibt doch noch Herausforderungen für mich

    Antworten

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