Glitzernde Luftballons im grünen Laub

Ein Erfahrungsbericht über die positive Kraft nicht alltäglicher Begegnungen von Eurem Schmusehamster (ak)

Später am letzten Samstag, ließ den Schmusehamster das hypothetische höhere Wesen gleich nochmal am Baum der Erkenntnis naschen – oder zumindest schnuppern und das kam so…

Nachdem ich mir, von der nachmittäglichen Geschichte am Kassenautomaten beseelt, von meiner wunderschönen rothaarigen und grünäugigen offenherzigen Muse befriedigt und durch einen herrlichen Erdbeerplunder gestärkt, eine Weile im Garten den Hintern platt gesessen hatte, schwenkte mein inneres Barometer fanfarenblasend von „Passiv“ auf „Aktiv“.

Also auf die Beine gestellt und die Hundis geschnappt für einen Spaziergang durch die abendlich goldene Landschaft.
Sobald der letzte asphaltierte Rest von Straße endgültig in den Schotterweg des Naturschutzgebietes übergegangen war, meldete mein Asperger-Radar einen glitzernden Strauß Folienballons am diesseitigen Niersufer. Durch das dichte sommerlich grüne Laub waren die Ballons zwar kaum erkennbar, aber manchmal ist Asperger auch eine Superkraft und mein Radar fokussierte zuverlässig genau darauf.

Wird wohl eine Geburtstagsfeier von Jugendlichen an der Niers sein oder gar ein Heiratsantrag eines holden Romeos an seine angebetete Julia?

An diesem Punkt versuchte ich, mir Rat bei meinen mitgeführten Vierbeinern zu holen. Doch weder die elfjährige Noa, noch der 14-jährige Brutus hatten gerade Zeit oder Lust, ihre Aufmerksamkeit auf meine Frage umzulenken.
Die Hündin hatte zwischen viel zu vielen potenziellen Beutetieren abzuwägen, deren verführerischer Duft sich in ihre Fußballfeldgroße Nasen-Oberfläche einbrannte.
Apropos Duft – der vom Alter mit nachlassendem Gehör und Augenpaar gezeichnete Rüde war damit beschäftigt, sich in die ihm angenehme Joga-Position „Donnerbalken“ zu drehen, eine Übung, der stets eine Mischung filigraner Eleganz gepaart mit arthritischer Entwürdigung innewohnt und welche zuverlässig mit dem Verlust eines gefühlten Viertels des vorherigen Körpergewichts des kleinen Kerls einher geht.

Nach vollzogenem Akt, das dunkle Tütchen mit dem noch körperwarmen Endprodukt der Bemühungen meines behaarten Gefährten lässig am Handgelenk baumelnd, setzen wir unseren Weg fort und bogen auf den Flurweg ein, der parallel zur Niers verläuft.

Außer uns sind nur wenige Menschen unterwegs – es ist Abendbrotzeit.
Vor uns enthüllt sich ein schönes Bild:

Zwei Menschen, beides Damen, und der schon von weitem bemerkte Strauß bunter Folienballons.
Beide Hunde halten direkt darauf zu.

„Haben die Hunde Angst vor den Ballons?“ ruft mir die erste Dame entgegen.
Ich werfe einen Blick auf meine beiden Begleiter, die schwanzwedelnd in ihren Geschirren hängen und an den Leinen ziehen. Im Kontrollraum meines inneren Teams wird die Szene mehrfach durch den Ironie/Sarkasmus/Zynismus-Filter gejagt, eine zweifelsfreie Bewertung der ausgesprochenen Frage kann aber nicht getroffen werden.
„Es sieht bisher nicht so aus.“ erwidere ich gut gelaunt. Mein innerer Connaisseur flacher Kalauer will ein „Schlimmstenfalls werden sie gefressen.“ hinterherschicken, was mein innerer Pressesprecher jedoch routiniert mit einem nachsichtigen Lächeln verhindert.

Bei den Ballons und deren Besitzerinnen angekommen, bietet sich mir ein Anblick wie ich ihn nicht alle Tage habe. Beide Damen werden von meinem inneren Ordner in die Kategorie „Gesamtkunstwerk“ einsortiert. Ich darf das, denn in dieser Schublade residiere ich selber.

Die jüngere der beiden Damen, vielleicht Mitte Zwanzig, schlank, trägt schwarze flache Stoffsneaker mit weißer Sohle, welche in lange rotweiß geringelte Kniestrümpfe übergehen, jene Sorte, welche ich aus dem Kölner Karneval oder dem stadtbekannten Puppentheater kenne. Darüber trägt die junge Dame ein schlichtes „kleines Schwarzes“ und auf dem Kopf mit kurzen Haaren eine klassische Melone, wie ich sie von Charlie Chaplin kenne.

Die rundliche Begleiterin, irgendwo im Niemandsland von Forty- to Fifty-Something anzusiedeln, kommt mit einem beigefarbenen Baumwollkleid und hochhackigen Korkschlappen zwar weniger farbenfroh daher, jedoch erfüllt das gespannte Verhältnis von Volumen und Stoffmenge, mit der ihr üppiges Dekolletee eingehegt ist, eindeutig den Tatbestand von Freiheitsberaubung, wenngleich sich mein evolutionär geprägtes Stammhirn sich eines anerkennend gemurmelten „O-La-La – die Glocken von Rom“ nicht erwehren kann, was ihm einen strengen Ordnungsruf meines inneren Gleichstellungsbeauftragten einbringt.

„Sind das Podencos?“ fragt die jüngere Dame.
„Jawohl.“ antworte ich und erfahre, dass die ältere Dame bald einen eigenen Podenco aus dem Tierschutz bezieht.
Es entspinnt sich ein kurzes aber nettes Gespräch, in welchem ich erfahre, dass die jüngere Dame Porträts von sich knipsen lässt „weil das Licht und der Fluss im Hintergrund so schön sind.“ Die ältere hebt an dieser Stelle eine digitale Spiegelreflexkamera in die Höhe.

Während ich noch überlege, wie man auf die Idee kommen könnte, ein durch künstliche Zuleitungen am Leben gehaltenes flaches Kanälchen wie die Niers mit dem Euphemismus „Fluss“ zu adeln, beschließen Brutus und Noa, dass nun Genug der höflichen Worte gewechselt sind, sowie darüber hinaus zuhause die überfällige Abendfütterung wartet.
Es wird eben nicht jeder am Rhein groß, denke ich mir, wünsche den Damen einen guten Abend und empfehle mich samt hungrigem Rudel.

Es ist dem Zufall geschuldet, dass ich in einem vom Mausebär geschenkten Buch justament die Zeilen über den Wert spontaner und ganz und gar nicht alltäglicher Begegnungen, die das Leben bereichern, lese. Es sind die glitzernden Facetten, die solche Treffen schenken. Genau dies ist heute an der Niers passiert und auch wenn es wahrscheinlich ist, dass sich unsere Wege niemals mehr kreuzen, ist es mir doch eine gute Anekdote für mein Langzeitgedächtnis.

In diesem Sinne, traut Euch, wenn Ihr etwas Glitzerndem gewahr werdet und geht darauf zu, um es in aller Ruhe zu betrachten. Es bringt das gewisse Etwas in das seelische Gemälde eines Tages.

So long,

Euer Schmusehamster

Ein Kommentar

  • Jaja, unser Hirn is schon ein seltsam ding.
    Irgendwie denke ich grad an Inliner,….Komisch

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