Hilfe, mein Wochenende toleriert mich

Der etwas ratlose Mausebär (td) schwadroniert in diesem Beitrag mal wieder über moralische Begrifflichkeiten.

Eine neue Woche bricht an.
Frisch gestärkt durch das Wochenende sitzt der Mausebär wieder pünktlich zum Wochenstart vor seinem Rechner und schreibt fleißig an seinem neuesten Beitrag. Es ist einiges passiert an diesem Wochenende.
Unter anderem habe ich meinen alten Computer endgültig stillgelegt und die letzten Reste meines Computerkrams in mein Arbeitszimmer gebracht. Oder besser gesagt, die Teile, welche ich behalten möchte, denn den „toten“ Monitor und den alten Rechner erst die Treppen rauf zu schleppen, um ihn dann wieder nach unten zu befördern, macht keinen Sinn.

Dafür habe ich einen großen Teil der Kartons, die in meinem Wohnzimmer standen, endlich auf dem Speicher verstaut. Die Aufräumarbeiten gehen weiter und irgendwann habe ich mich auch fertig eingerichtet.
Der Nachteil bei einem beschränktem Konto in den Händen eines noch beschränkteren Heimwerkers ist, dass es scheinbar unendlich dauert, bis alle Provisorien endlich entfernt sind.
Seit nunmehr drei Jahren arbeite ich konstant daran und es hat sich weniger getan, als ich gehofft hatte. Immer, wenn mich die Muse küsst, blockiert mich mein Konto.
Aber Stück für Stück taste ich mich vor, um jedes Projekt irgendwann zum Abschluss zu bringen.
Vielleicht gelingt es mir irgendwann, in einer „echten“ Wohnung zu leben, die sich wie mein Zuhause anfühlt und nicht nur in einem zusammengestückelten Design-Alptraum aus dem Katalog einer skandinavischen Einrichtungskette […“mit skandalösen Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeiter bei unterdrückender Umgehung gewerkschaftlicher Strukturen…“ – Anmerkung des inneren Kängurus des diesen Text redigierenden redaktionellen Schmusehamsters] und Möbelresten aus fünfter Hand.

Ich will aber nicht klagen, denn immerhin war ich fleißig. Ein wenig Müll wurde auch entsorgt.
Außerdem habe ich mich mit zwei meiner kreativen Projekte beschäftigt. Diesmal auf ruhige und besonnene Art.
Ich fühle mich zumindest nicht so ausgelaugt wie noch vor ein paar Tagen.
Gut, es nervt mich ein wenig, dass sich diese Woche schon wieder ein Feiertag eingeschlichen hat und mich zwingt, alle wöchentlichen Erledigungen auf drei Tage zu fokussieren, aber es gibt Schlimmeres. Tatsächlich kann ich sagen: Es geht mir gut.

Das ganze Wochenende kam auch keine katastrophale Nachricht, tatsächlich wurde ich sogar fast unbeschränkt in Ruhe gelassen. Der Fernseher war mein Freund und auch mein Handy versuchte, so wenig zu nerven, wie es ging.
Die böse Stimme in mir wartete auf das „dicke Ende“, aber gab gegen Samstagnacht dann auch auf und gewährte mir einen beschaulichen Sonntag.

Jetzt kommt aber doch das letztendliche Problem an der Sache – es gibt nichts, über das ich mich aufregen kann, außer, dass mein Tischventilator gerade, aufgrund leeren Akkus, aussetzte und ich mitten im Satz meinen Erfrischungsspender wieder an die USB-Leine legen musste.

Vor Nachrichten habe ich mich gehütet und vor jeder Diskussion rechtzeitig weggeduckt und nun bin ich zwar zufrieden, aber auch ein wenig themenlos.
Natürlich könnte ich mir wieder den Erklärbärhut aufsetzen, mir ein beliebiges Thema packen und meine Leser mit dem reichen Schatz meiner sorgsam gestrickten Plattitüden beeindrucken (oder amüsieren), aber die Intellektuellenkarte habe ich in letzter Zeit doch recht häufig ausgespielt.

Wobei ich beim kurzen Durchstöbern meiner inneren Hirnareale doch tatsächlich noch etwas finde.


Vor nicht allzu langer Zeit (in einem wohlbekannten Land), hatte ich doch tatsächlich mal wieder ein Gespräch über eines meiner Lieblingsthemen, der Toleranz.
Da mir gerade nichts Wichtigeres einfällt und mich niemand mit Themenwünschen ausstattet, muss ich wohl tolerieren, dass dieser Begriff zu meinem heutigem Thema wird.
Das passt auch ganz gut zu meiner inneren Stimme, da sich dieses Wochenende eine recht seltene Form von stillschweigendem Waffenstillstand zwischen meinen diversen inneren Kontrahenten abgespielt hat.

Aber was hat Waffenstillstand mit Toleranz zu tun?

Bewusst verzichte ich heute auf eine Erklärung der Herkunft des Wortes Toleranz sondern erkläre, was es für mich bedeutet.
Für mich gehört die Toleranz zu der Dreifaltigkeit des inneren Friedens.
Gemeinsam mit den Begriffen der Akzeptanz und der Ignoranz, beschreibt es jene drei Geisteshaltungen, die mir erlauben, in einer Welt voller geistigen, sagen wir, ungeformten und überhydrierten Verdauungsendprodukte, zu überleben – jedenfalls ohne wahnsinnig zu werden (was noch zu überprüfen wäre, ich weiß).

Alle drei Begriffe sind also eine Methode, mit der Geisteshaltung der nicht zu verleugnenden Umwelt und ihrer Bewohner zu koexistieren. Es gibt für mich dadurch folgende Möglichkeiten, mit dem Gedankengut anderer Menschen umzugehen:

Ich kann es akzeptieren, was für mich bedeutet, dass ich es gutheiße und in meinem Leben begrüße.

Ich kann es tolerieren, was bedeutet, dass ich es zwar nicht für mich annehmen kann und will, mich aber dieser Gedanke in anderer Leute Kopf weder stört noch beängstigt.

Ich kann Ideen und Gedanken ignorieren, nämlich dann, wenn dieses Gedankengut nicht in meine Vorstellungswelt passt.
Man könnte es herunterbrechen auf die drei Positionen Gut, Egal und Schlecht.

Immer, wenn ich mich mit jemandem über ein Reizthema unterhalte gebrauche ich diese drei Schubladen.
Gefällt mir die Idee oder Ansicht meines Gegenübers , kommt der Meinungsaustausch sofort in die Schublade „Akzeptanz“.
Sollte ich mit dem Gedankenkonstrukt nichts anfangen können, es mich aber auch nicht triggern, dann wähle ich die Schublade der „Toleranz“, die mir hilft, damit umzugehen und meinem Gegenüber zu signalisieren, dass mich seine Thematik, obwohl sie mich nicht wirklich berührt, doch zumindest weder stört, noch abschreckt. Viele Sachen warten in dieser Schublade auch auf „Wiedervorlage“, also darauf, dass ich mich zu angemessener Zeit damit befasse.
Manchmal kommt eine Meinung oder ein Gedankenkonstrukt daher, welches komplett gegen die Moral und Ethik meiner inneren Weltordnung verstößt. Ein Umstand, den wahrscheinlich alle Menschen kennen, ist, dass es den einen Menschen gibt, der plötzlich etwas „vom Stapel lässt“, womit man nicht gerechnet hätte. Überraschung, leider im negativen Sinne.
Bei einigen Mitmenschen ist man es auch gewohnt, dass diese Ansichten vertreten, für die es in einer besseren Welt keine Synonyme gibt oder zu geben scheint.
Da fängt bei mir gleich der innere Aufpasser an, diese Sachen einfach in die Resteschublade mit dem Aufkleber der „Ignoranz“ zu kehren. Kann man ja nicht rumliegen lassen, könnte ja einer drauf ausrutschen, oder die Kinder könnten damit spielen.

So sammele ich den ganzen gedanklichen Müll, bis die Schublade voll ist und ich den Schrott in meiner inneren Ironiemüllpresse zermahle, um ihn dann in meinem Sarkasmusofen zu verbrennen und auf meiner Zynismushalde aufzuschichten. Da wird es dann Dünger, wie viele Verdauungsendprodukte. Das ist der Grund, warum ich auch andere Menschen selten hasse oder verachte, denn jeder kann der Gesellschaft dienen – und sei es als schlechtes Beispiel. Der größte Mist kann ein Nährboden für intellektuelle Rosen sein, wenn man ihn richtig einsetzt.

Deshalb bin ich so stringent gegen ein Meinungsverbot, denn ich finde nicht nur die Gedanken , sondern auch ihre Äußerung müssen unbedingt frei bleiben, auch wenn es bedeutet, dass auch so manch einfach dummer oder menschenverachtender Unsinn dabei ist.
Dafür habe ich ja meiner innere Ignoranz, um mich dagegen zu schützen.
Ich weiß, viele Menschen können das nicht und verstehen noch weniger, warum ich so etwas kann, aber ich will Meinungen nicht verurteilen.

Ich rede nicht von Taten. Es ist klar, dass wir auf unsere Mitmenschen aufpassen müssen.
Es gibt moralische Entgleisungen, bei denen muss ich einschreiten, nämlich dann, wenn das Wohl einer schwächeren oder gar hilflosen Person gefährdet ist.
Taten sind nicht frei, dafür haben wir Anstand, Sitte und Gesetze und alle drei begrüße ich sehr, auch wenn ich manche Stilblüte in den drei Werken gerne abgesägt sehen würde.

Es kotzt mich nur an, dass manche Menschen andere Leute wegen Einstellungen und Meinungen verurteilen. Ich muss nicht jede Meinung begrüßen, aber ich versuche, sie zumeist zu tolerieren und wenn das nicht funktioniert, hilft nur ignorieren.
Über Meinungen zu debattieren macht so gar keinen Sinn, da verliert man früher oder später.

Ich fordere meine Leser jetzt nicht zum Nachahmen auf, denn diese Geisteshaltung passt nicht zu jedem Menschen, aber ich bitte darum, über diese Einstellung nachzudenken und sich selbst zu fragen, ob nicht letztendlich jedes Lebewesen eine gewisse Toleranz verdient.

Einen schönen Wochenstart wünscht Euch der Mausebär (td)

Ein Kommentar

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben