Speaker’s Corner – Mir geht es gut

Mit großer Freude möchte ich Euch heute einen weiteren Text unseres geschätzten Gast-Autors Udo Klingen präsentieren.
Udo hat diesen Text ursprünglich verfasst, um seine Gedanken für die einleitende Befindlichkeitsrunde der Selbsthilfegruppe Phönix festzuhalten, weil er der Meinung war, dass ihm spontan meist die Worte fehlen.
Dabei hat sich in Udos Kopf eine Tür geöffnet und gleich eines plötzlichen Platzregens, dessen Wassermassen in ein viel zu enges Fallrohr drängen, hatte unser Gastautor seine liebe Mühe, die sprudelnden Gedanken schnell genug abzufassen.
Herausgekommen ist ein, wie ich finde, Prachtstück freier Rede, welches das Kunststück vollbringt, an manchen Stellen prosaisch und an anderen poetisch zu wirken.

Euer Alex

Mir geht es gut

Es geht mir gut, vielleicht sogar zu gut. Denn ich spüre in mir eine große Wut.
Sie droht, mich zu zerreißen, ich habe das Gefühl, jeden Moment zu zerplatzen.

Ich wünsche mich an einen Ort, an dem sich alle „Großen Politiker“ und alle Medien-Mogule aufhalten.

Denn wenn ich platze, gibt das einen „Riesen-Bums“, und im Umkreis von mehreren Kilometern bleibt kein Stein auf dem anderen.

Ich spüre Hass in mir, der nicht enden will. Enttäuschung, die nicht enden will.

Es geht mir gut, vielleicht zu gut.

Ich bin körperlich fit (naja, dem Alter entsprechend), ich sehe mich psychisch stabil.
Wäre da nur nicht diese grenzenlose Wut und Ohnmacht.
Von allen Ecken höre ich, wie schlimm es um die Wirtschaft steht.
Es müssen Milliarden und Abermilliarden aufgewendet werden, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Verbraucher sind an allem Schuld! Denn sie wollen niedrige Preise für Nahrungsmittel.

Ist das wirklich so?

Wollen wir niedrige Preise, wollen wir, dass die Erzeuger unserer Nahrungsmittel nicht angemessen bezahlt werden?
Mit Erzeuger meine ich nicht die Nahrungsmittelindustrie.
Ich meine die Menschen, die auf dem Feld arbeiten.
Die Menschen, die Schweine, Rinder und Geflügel züchten.
Ich meine die Menschen, die diese Produkte verarbeiten, mit ihren Händen verarbeiten.

Die Menschen, die die Maschinen bedienen, sei es der Traktor, oder die Säge, die das Schwein halbiert.
Diese Menschen, woher sie auch kommen mögen, sollen einen gerechten Lohn für ihre Arbeit erhalten.

All das wäre sicherlich zu bewältigen, WENN, wenn die Politik und die Medien nicht so viel Unsinniges beschließen und verbreiten würden.

Warum müssen Äpfel, Tomaten und Kartoffeln und so ziemlich jedes Obst oder Gemüse ein bestimmtes Maß haben?

Damit sie leichter zu verpacken sind. Denn die „Automatische Verpackung“ ist nur eine dumme Maschine. Sie ist nicht mal ansatzweise so flexibel wie ein Mensch, aber viel billiger…

Ist sie das wirklich?

Wenn man bedenkt, wieviel gute Nahrungsmittel vernichtet werden, nur damit die Maschine arbeiten kann.

Ist sie dann immer noch billiger als ein Mensch?

Wenn man bedenkt, wieviele Arbeitsplätze und somit Steuern und Sozialabgaben durch die Nutzung der Verpackungsanlage wegfallen.

Ist sie dann immer noch billiger?

Ja, das ist sie. Aber nur für den Produzenten!
Für den Produzenten, der sich dumm und dämlich verdient, der so unglaublich viel Geld hat, dass er selber nicht in der Lage ist, sein Vermögen zu beziffern.

Ich wünsche mir eine Stimme, eine Stimme wie Donnerhall.

Meine Stimme soll auf der ganzen Erde zu hören sein. Sie soll zielgerichtet sein, sodass ich auf der ganzen Welt bestimmte Personen, oder besser gesagt, „Unpersonen“, anbrüllen kann. Ich will sie so laut anschreien, dass ihnen das Blut aus den Ohren spritzt.

Mir geht es gut, vielleicht zu gut.

Ich bin körperlich fit und psychisch stabil.

Bin ich das wirklich?

Körperlich fit? Ja, is‘ ok so.

Psychisch stabil?

Ich weiß es nicht…
Ich bin innerlich zerrissen. Darf ich mich gut fühlen?
Mit all dem, das ich hier aufgeschrieben und all dem, das ich zu Schreiben nicht in der Lage bin?

Muss ich nicht aufstehn‘, mich an Presse und Politk wenden?

Muss ich nicht all meine Wut verwenden, um die Verantwortlichen dieser Welt zu schütteln und zu rütteln, bis sie entweder wach oder tot sind?

„Verdient ham‘ se et‘.“

Euer Udo…

Während Udo seinen Text vortrug, hatte ich das Gefühl, dass mit einer wohldosierten Portion jener Klarheit, Direktheit und Einfachheit auch viele politische Redner ihre Beiträge bereichern könnten. Vielleicht würden viele Menschen dann wieder das Gefühl erhalten, zu verstehen, was ihre gewählten Volksvertreter sagen und tun. Ein echter Dialog auf Augenhöhe könnte stattfinden.
Danke Dir, lieber Udo, für diesen inspirierenden Text!

Euer Alex

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