Warum mir Empathie sympathisch erscheint ?!?

Eine persönliche Analyse über das Verständnis des Wortes „Empathie“ von dem einfühlsamen Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

Interessanterweise beginne ich heute meinen Text ganz anders.
Normalerweise fange ich mit dem ersten Gedanken an und folge dann meinen Ideen, bis ich endlich einen guten Schluss finde. Meist hoffe ich damit auf einen Punkt zu kommen und nicht zu wirr zu werden.
Heute war das anders. Ich habe in der Mitte angefangen.
Ein Gedanke ließ mich recherchieren und das Ergebnis meiner kleinen Recherche wollte ich einfach schnell festhalten.
Von da aus ging es einfach flockig weiter und ausreichend Text ergoss sich auf mein Blatt.
Aber der Anfang war kein typischer Anfang und somit ist dieses einer der wenigen Texte, bei dem ich, während ich diesen Anfang schreibe, das Ende bereits kenne.
Das heißt nicht, dass ich Euch zu einem besonderen Ort führen will, sondern nur, dass ich diesmal tatsächlich reflektieren muss, wo der Gedanke seinen Anfang nahm.

Ach, ich weiß es wieder.
Mal wieder brachte Medienkonsum mich auf die heutige Fährte.
Ich fragte mich beim Ansehen eines Filmes, warum ich im Kino mit dem Anti-Helden eines Gangsterfilmes mitfiebern kann, aber im wahren Leben ihm eine harte Bestrafung wünsche?
Warum fordern Menschen am Stammtisch die Kastration von Sexualstraftätern, aber wenn mir Götz George meisterhaft die Vernehmungsprotokolle des Serienmörders Fritz Haarmann in dem Film “Der Totmacher“ vorspielt, werde ich plötzlich emotional berührt?
Genauso traf mich die Biographie eines “menschlichen Monsters“.
Es macht wohl doch eindeutig einen großen Unterschied, wie viel ich über eine Person weiß, oder zu wissen glaube, in der Wahl meines Urteils.

Nicht umsonst führen Rechtsanwälte in der Verteidigung gerne Leumundszeugen auf, die über die Persönlichkeit des Angeklagten zu berichten wissen.
Auch in vorbereitenden Trainings für Einsatzgruppen oder potentielle Betroffene, auf Geiselnahmen oder Gewaltszenarien werden den interessierten Teilnehmern Techniken vermittelt, mit dem der Täter sein Opfer besser kennen lernt und somit nicht mehr fähig ist, die Person hinreichend zu „objektisieren“, um seine Gewalttat auszuführen.
Im umgekehrtem Fall spricht man auch vom sogenannten „Stockholm-Syndrom“, bei dem die Opfer durch längeren Kontakt soviel emotionale Perspektivübernahme zum Täter entwickeln, dass sie plötzlich mit Mitgefühl auf diesen reagieren.
Gerade in diversen Filmen sehe ich das ja häufig – „Ach, Sie haben uns alle hier nur als Geiseln genommen und bedrohen uns mit vorgehaltener Waffe unter Androhung von Schmerz und Tod, weil sie beweisen wollen, dass ihr inhaftierter Verwandter unschuldig ist und Sie jemanden mit dem Inhalt eines Schließfaches hier zum Geständnis der Wahrheit überzeugen wollen. Wenn das so ist, habe ich volles Verständnis dafür, dass wir nachher mit Tränengas eingemischert (eingenebelt) und von der Polizei stundenlang verhört werden. Ich bekomme auch bestimmt kein Trauma davon. Und wo Sie schon so einfühlsam sind und dem zu Tode erschreckten Kind noch seinen Gameboy und einen unausgereiften väterlichen Rat gegeben haben, finde ich Sie so attraktiv, dass ich sofort mit Ihnen schlafen will!“ – so, oder so ähnlich, funktioniert ja fast jeder Kriminalstreifen.
Wieso funktioniert das?

Das Zauberwort heißt Empathie

Was ist Empathie?

Empathie ist ein in der Psychologie und Sozialwissenschaft häufig gebrauchter Begriff. Oft wird einem dieser Begriff als die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, definiert. So definiert auch der Duden Empathie als:

Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen

Duden Online

Es gibt viele Synonyme für Empathie, unter anderem:

  • Fingerspitzengefühl
  • Einfühlungsgabe
  • Mitgefühl
  • Teilnahme
  • Verständnis
  • Und weitere…

Doch was soll damit ausgedrückt werden?

Wie „fühle“ ich mich in einen anderen Menschen ein?

Im Prinzip ist das eine Art Simulation, ein kognitiver Prozess, oder weniger hochgestochen formuliert, ein begründetes Ratespiel.
Normalerweise gibt es zwei Informationsquellen, die dieses Ratespiel erleichtern. Quasi wie Joker in einem Quiz.

Mein erster Joker ist meine eigene Erfahrungswelt, also meine ureigene Meinung, wie ich mich in dieser Situation fühlen würde. Dieses Gefühl entsteht durch die Fähigkeit der Perspektivübernahme, was nichts geringeres heißt, als dass ich mir vorstelle, wie ich mich selber in dieser Situation sehe.
Somit denke ich mich in die Situation ein und empfinde dadurch sowohl Verständnis für die Aktionen und Reaktionen meines Gegenübers, als auch für die Art, wie mein Gegenüber die Welt unter gegebenen Umständen wahrnimmt.
Das wäre dann das berühmte Mitgefühl.

Es ist mir sehr wichtig, hier zwischen unterschiedlichen Ebenen zu unterscheiden. Wenn ich beobachte, wie eine Person sich mit einem Hammer auf den Finger haut, kann ich entweder nachvollziehen, dass dies ein schmerzhafter Prozess ist (Verständnis), den Schmerz aus eigener Erfahrung oder Vorstellung nachempfinden und mich somit in die direkte Position des Betroffenen eindenken (Einfühlungsgabe), selber das Gesicht schmerzverzerrt abwenden, da ich das Gefühl habe, ein Schmerzreiz jage mir durch den Körper und ich erlebe den Hammerschlag nahezu selber (Einfühlungsgabe), oder ich verspüre einfach das Gefühl des Schmerzes und „leide“ mit der anderen Person (Mitleid/ Mitgefühl).
Die Basis aller dieser Wahrnehmungen ist aber letztendlich meine eigene Vorstellungskraft.
Wenn wir einen entsprechenden Film sehen, in dem ein Schauspieler einen Hammer auf den Finger geschlagen bekommt, wissen wir rein rational, dass dieses ein Trick ist und der Schauspieler wahrscheinlich den Schmerz gar nicht fühlt, da er nicht wirklich geschlagen wird und trotzdem erwische ich mich regelmäßig dabei, dass ich das Gesicht schmerzlich verziehe.

Dann kommt mein zweiter Joker ins Spiel, nämlich das, was ich über mein Gegenüber weiß.
Je besser ich eine Person und ihr Verhalten kenne, umso leichter fällt es mir, Mitgefühl aufzubringen.
Zum einen liegt es einfach an der Menge der Informationen, die mir erleichtern, die Welt aus der Sicht der anderen Person zu sehen, zum anderen liegt es an dem Gefühl der Verbundenheit.
Je besser ich einen Menschen kenne, umso näher fühle ich mich diesem Menschen.
Wenn diese Nähe auf der Basis von geteilten Erfahrungen, Meinungen und Angewohnheiten beruht, spricht man normalerweise von einer sympathischen Verbindung.
Sympathie ist ein Wort, das sich aus der alt-griechischen Sprache ableitet und eigentlich vom Wortstamm her „Mitgefühl“ oder sogar eher „Mitleid“ bedeutet. Es setzt sich zusammen aus der Vorsilbe „Sym“ für „zusammen-“ oder „mit-“ und dem Wort „Pathos“, also Schmerz.

Und wo ich schon gerade bei Wortherkunft bin, das Wort Empathie leitet sich auch aus dem Griechischen ab, allerdings von dem Wort „empátheia“, was eigentlich „Leidenschaft“ bedeutet.
Vielleicht sollte ich mal beobachten, ob der hoch gerühmte empathische Umgang mit Menschen tatsächlich auch ein leidenschaftlicher Umgang ist.

Um wieder zurückzukommen, ich nutze also die Kenntnis, die ich über einen Menschen habe und die Fähigkeit, mir vorzustellen, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde, um ein Verständnis für seine Position zu bekommen.
Dieser Vorgang kann bei mir sowohl bewusst als auch unbewusst stattfinden.
Meistens ist es jedoch eine Mischung.
Wenn mir jemand „sympathisch“ ist, fällt mir dieser Vorgang deutlich leichter.

Warum setzte ich das „sympathisch“ in Gänsefüßchen?

Weil es eigentlich andersherum ist, ich treffe eine Person, lerne sie kennen, vergleiche ihr Verhalten und ihre Art mit meinen Vorlieben (meist ein unterschwelliger Prozess) und entwickele somit eine Bindung oder auch Beziehung zu dieser Person.
Diese Verbindung macht es mir jetzt einfach, die von mir wahrgenommenen Emotionen dieser Person nachzuvollziehen.
Es entsteht ein sympatisches Verhältnis.
Trickbetrüger kennen viele Kommunikationstechniken (wie auch Kommunikationstrainer, wie z.B. der Mausebär), um ihrem Gegenüber eine sympathische Verbindung zu erleichtern, was dann von übel meinenden Zeitgenossen genutzt wird, um das arglose Opfer auf der Basis seines Mitgefühls zu manipulieren.

Wo ich gerade bei der dunklen Seite bin, will ich auch noch den buckeligen Verwandten des Mitgefühls aus seinem zu unrecht geführten Schattendasein kurz ins Rampenlicht ziehen – ich spreche natürlich von niemand geringeren als der Schadenfreude.
Unglaublich aber wahr, ich behaupte jetzt, dass Schadenfreude und Mitleid aus der selben Quelle der Persönlichkeit entspringen.
Letztendlich entscheidet bei jedem Leidensfall mein innerer Richter, ob mir eine Person so angenehm ist, dass ich mit ihr mitleide, so unangenehm, dass ich mich über ihr Leid freue – natürlich nur aus gerechtfertigtem Gerechtigkeitssinn – oder ob mir die Person so egal ist, dass ich überhaupt nicht emotional reagiere.

Als der Mensch noch in der Höhle lebte, war es einfach – für Mitglieder des Stammes empfand man Mitgefühl, denn nur dadurch konnte die Gruppe bestehen und somit dem Einzelnen Schutz bieten, für Feinde empfand man Hass und Schadenfreude über ihre Fehler, denn das vereinfachte es, sich dem Gegner im Kampf zu stellen und alle anderen Wesen waren halt egal, weil der Höhlenmensch seine Energie eher auf konkrete Probleme lenkte.

Heutzutage finde ich es schwierig, dauernd mit dem Leid der Welt konfrontiert zu werden und dann noch eine Meinung haben zu müssen. Ich denke, diese Überforderung führt zu einem von zwei Extremen.
Entweder ich werde zynisch und sarkastisch, um mich dadurch von der Qual „unwichtiger“ Menschen abzulenken – einfach um mich abzugrenzen – oder ich werde aggressiv und versuche, mir ein Feindbild zu suchen, auf das ich dieses Übermaß an negativen Emotionen projizieren kann – ein Vorgang, der dann zur Geburt eines neuen Aktivisten wird.
Ich habe also die Wahl, ob ich dieses Übermaß an negativen Gefühlen entweder zurück an die Verursacher sende (durch sogenanntes „menschenverachtendes“ Verhalten), oder „blindwütig“ gegen die mutmaßlichen Auslöser des Leids.

Und hier komme ich dann unweigerlich zu meiner heutigen Moral, denn ich finde beide Verhaltensweisen nicht richtig und vor allem unfair.
Ich kann weder den armen Menschen in Afrika vorwerfen, dass sie Hungern müssen, noch der Presse, dass sie mir diese Tatsache regelmäßig unter die Nase reiben und auch nicht den diversen „Verschuldern“ der dortigen Situation.
Ich kenne diese Leute nicht genug, um eine wirklich faire Perspektivübernahme zu ermöglichen.
Ich halte mich auch nicht für so kompetent, über Schuld und Unschuld zu richten.
Es wird Zeit, dass ich diese Erkenntnis mehr und öfter lebe.
Vielleicht geht es mir im Leben einfach mal besser, wenn ich nicht alles annehme, was mir der Emotionspostbote so ins Haus bringt?
Es tut mir sehr leid (oder eigentlich eher nicht), für die Milliarden Menschen da draußen, um die ich mich nicht kümmern kann, aber ich werde mich lieber auf ein paar Wenige konzentrieren, für die meine Empathie einen Unterschied macht.
Diejenigen aus meinem „Rudel“, bei denen die sympathische Verbindung schon besteht.
Je nach meiner eigenen Kraft werde ich mein Rudel immer mal wieder vergrößern.

Ich denke, wenn sich jeder Mensch einfach mal um seine nähere Umgebung kümmern würde, wäre die Welt im ganzen schon ein riesiges Stück weiter.

Das führt mich zu der wichtigsten Form der Empathie – „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“.
Das bedeutet für mich:

  • „Wende Liebe für andere Menschen auf“
  • „Liebe auch Dich selbst“
  • „Bleibe dabei in einem überschaubaren Rahmen – übertreib es nicht“

Und das führt mich zu der Formel der Empathie:

„Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ – das bedeutet zum einen, wende Liebe für andere Menschen auf, zum weiteren liebe auch Dich selbst und zuletzt, bleib dabei in einem überschaubaren Rahmen – übertreib es nicht.

Die Bibel, wie der Mausebär sie liest

In dem Sinne ist man erst dann wahrlich empathisch begabt, wenn man gelernt hat, sich situationsabhängig abzugrenzen.

Somit hat der Mausebär wieder mal seinen Beitrag in grünen Tüchern und freut sich darauf, mit seinen Liebsten durch Freud und Leid zu gehen.

Euer Mausebär (a.k.a Thorsten Dürholt)

P.S.:
Wer aus dem Text herausfinden kann, warum mir Empathie sympatisch erscheint, darf es mir gerne in den Kommentaren schreiben.
Die Antwort steckt, wie immer, mittendrin 🙂

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