Der Fluch des leeren Blattes

Eine selbstkritische Reflektion über das Schreiben vom Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

Was habe ich mir nur gedacht? Mal wieder habe ich den Mund voll genommen und etwas leichtherzig versprochen. Nämlich, dass ich jetzt jeden Tag unsere Website mit Texten füllen wollte.
„Mache die Not zur Tugend und die Krise zur Chance und nutze den auferlegten Hausarrest für etwas Sinnvolles“.
Das war meine Idee und mein Versprechen, nicht nur an meine Leser, sondern besonders an mich.

Jetzt sitze ich hier am Rechner, den Kopf voll mit halb ausgegorenen Ideen und finde keinen Anfang. Autoren sprechen in dem Fall von der „Angst vor dem weißem Blatt“.
Meine Zweifel, die mich keinen richtigen Anfang finden lassen und meine Skepsis sorgen dafür, dass ich jeden gerade geschriebenen Satz wieder lösche. Ich suche nach dem perfekten Ansatz, dem perfekten Einstieg der den Leser in meinen Text zieht. Der den Leser dazu bringt eine Weile Zeit mit mir zu verbringen, meine literarischen Ergüsse zu genießen und vielleicht einen wohlmeinenden (aber ehrlichen) Kommentar zu hinterlassen.
Applaus ist das Brot des Künstlers und mein innerer Narzisst ist verdammt hungrig.
Aber bin ich überhaupt ein Künstler?
Kunst kommt von Können und da ist schon der sprichwörtliche Hase im Pfeffer begraben.
Kann ich schreiben?
Naja, zu mindestens klappt der mechanische Teil. Zwar schreibe ich weit entfernt von der 10 -Finger-Technik, aber auch schon nicht mehr im Adler-Such-System (Über der Tastatur kreisen und dann auf den Buchstaben stürzen). Ich schreibe nicht schnell genug, um mit mir zufrieden zu sein, aber schnell genug, um nicht total zu verzweifeln.
Die nächste Ebene wäre dann die der Schreibtechnik. Ich bilde mir tatsächlich ein, unsere Sprache hinreichend zu beherrschen, um sinnvolle Sätze zu erschaffen. Was Orthographie und Grammatik angeht, hilft mir die Rechtschreibeprüfung (danke Open-Office) und mein Lektorat (danke Sonja), wenn ich nicht schon wieder ungeprüft poste (mea culpa).
Seit Neustem versuche ich der Bandwurmsätze Herr zu werden und direkter zu schreiben. Vielleicht klappt es auch irgendwann. Und wenn ich dann noch denn Umgang mit Satzzeichen erlerne, vielleicht sogar meistere, dann wird die Lesbarkeit meiner Texte sogar durchaus annehmbar (hoffe ich zumindest).
Wer bis hierhin kam, merkt schon, dass ich kein wirklich von mir überzeugter Schreiberling bin.
Gut, ich bin diagnostizierter Narzisst, ein selbstherrliches Arschloch und ein absoluter Klugscheißer. Keine Diskussion, der ich mich entziehe. Kein Streitgespräch, ohne meine engagierte Teilnahme.
Kurzum, ich kann zu fast allem etwas sagen, auch wenn ich die Beurteilung der Qualität meiner Beiträge lieber nicht überdenke.
Was macht mir das Schreiben schwierig?
„Wer schreibt, der bleibt“, lernte ich in der Ausbildung zum Kaufmann (ich habe nie mitgeschrieben und war Kursbester – soviel dazu), aber ist es nicht eher so, dass das Geschriebene bleibt?
„Worte vergehen, Geschriebenes bleibt bestehen“- Das habe ich irgendwo mal gehört (wenn ihr wisst von wem das Zitat ist, bitte in die Kommentare) und vielleicht fürchte ich genau das. Die Angst, etwas in die Welt zu setzten, von dem ich nicht mehr loskomme. Auf Ewig mit meinem Namen verbunden. Und wenn es dann nicht gut ist, ruiniert es mein geistiges Erbe.
Will ich als Verfasser schlechter Texte in Erinnerung bleiben?
Nein, ich denke nicht.

Aber warum, um den Kreis wieder zu schließen, versuche ich mich dann als Autor?

Gehen wir zurück in meine Kindheit. Ich hatte schon immer viel Phantasie. Ich hatte schon immer Gedanken und Ideen im Kopf. Und ich wurde gefördert. Meine Mutter brachte mir schon frühzeitig das Lesen nahe (mit viel Geduld) und meine Großmutter und meine Mutter nahmen mich oft mit in die Bücherei.
Entsprechend schnell stieg meine Sprachkenntnis, mein Vokabular und mein Allgemeinwissen. Ich war in dem Bereich wie ein Schwamm und meine Familie war ein laufender Wasserhahn.
Meine ersten Aufsätze in der Grundschule fanden daher viel Beachtung bei den Lehrern. Mir wurde Talent attestiert und meine Grundschullehrerin prophezeite meiner Mutter, dass ich irgendwann Autor werden würde.
Damit liegt sie mir auch heute noch in den Ohren. Ich glaube, heimlich wartet sie immer noch auf meinen ersten Roman.
Durch meine zahlreichen Beschäftigungen im Kulturbereich (geil, hört sich das abgehoben an) bekam ich weiteres Rüstzeug.
Ich kenne die Theorien eines guten Schreibstils und habe mich auch mit Pressearbeit beschäftigt. Eigentlich müsste ich doch ein guter Autor sein.
Aber dann sind da die Zweifel.
Jupp, meine blöde Depression und meine Angststörung mischen sich ein.
Ich habe viel gelesen und vergleiche mich immer wieder mit den Autoren, die ich schätze und als Künstler anerkenne. Der Vergleich fällt selten gut aus.
Vor einigen Jahren entdeckte ich Charles Bukowski für mich und beneide ihn darum, Alltägliches, vermischt mit Schweinereien, zu einer Kunstform zu verschmelzen. Er ist ein Dichter, bei ihm klingen Obszönitäten poetisch. Bei mir bleibt es Obszön und noch nicht mal originell. Und das ist nur ein Beispiel.
Wenn ich meine alten Gedichte (aus Jugendzeiten) lese merke ich, dass es Talent braucht, um den Unterschied zwischen poetischem Weltschmerz und albernem, phrasendreschendem Gejammer auszumachen.
Bevor einer fragt- meine frühen Werke sind im Rahmen meiner Aufräumwut der Schönmackers-Sammlung (unserem lokalem Abfallunternehmen) als Schenkung zugefügt worden. Ein kurzer Blick reichte um mir zu zeigen, dass die Dinger weit auf der anderen Seite von Gut waren.
Ich habe mal mit einem Gedicht und einer Kurzgeschichte an einem lokalem Wettbewerb eines kleinen Verlages teilgenommen. Gewonnen habe ich nichts, aber mein Gedicht wurde als Sonderauswahl der Jury mit in der Textsammlung veröffentlicht. Ich weiß nicht, wie ich das beurteilen soll, aber mein inneres Team tendiert eher nicht zu künstlerischem Erfolg.
Kurzum, ich wäre gerne ein Autor (bevorzugt beliebt und erfolgreich), traue mich aber nicht.
Und dann verspreche ich einfach hier, während der Sozialen-Distanz-Verordnung täglich etwas zu posten.
Nicht nur irgend etwas, sondern etwas persönliches, etwas von mir. Und tausende Ideen strömen durch mich durch und jede, die ich greifen kann, wird gedreht, gewendet, gewogen, gemessen und für nicht gut befunden.
So erschreckt mich das weiße Blatt. Satz um Satz entsteht und wird wieder gelöscht.
Und dann kommt der Punkt der Resignation, das „Versuchen wir es später nochmal“, der Zeitpunkt an dem ich das Schreibprogramm schließe und mich etwas Anderem zuwende.
Dieser Moment wäre jetzt und hätte ich nicht einfach mitgeschrieben, wäre hier jetzt einfach nichts.
So ist es eine Einladung in meine Gedanken und in Das, was mich davon abhält, ein Schriftsteller zu werden (egal, wer mir Talent bescheinigt). Vielleicht bringt es mich ein wenig weiter, meine Probleme aufzuschreiben und sie frei zu geben (durch Veröffentlichung).
Und vielleicht bewegen meine Gedanken was bei meinen Lesern.
Vielleicht nutzt ihr die Krise auch um etwas zu tun, was ihr eigentlich immer machen wolltet.
Teilt doch gerne eure Gedanken mit mir und erzählt mir davon.
Und mit etwas Glück liegt das Talent bei Demjenigen, der es einfach macht.

Mein Blatt ist voll. Jetzt wartet der Text geduldig auf Morgen (Veröffentlichungsstop für den 1.April), um veröffentlicht zu werden und ich lasse die Finger davon. Ich überlasse die Kritik euch, meinen Lesern, denn ihr geht wahrscheinlich viel fairer mit mir um, als ich es selbst könnte.

Probiert euch aus und bleibt in Kontakt,

Euer Mausebär (a.k.a. Thorsten Dürholt)

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