Über weibliche Diplomatie radikaler Tendenzen

Ein vergnügliches Sozialexperiment im inneren Team des Schmusehamsters (ak)

Heute Nachmittag war ich zum ersten mal seit der behördlichen Verordnung der „Maskenpflicht“ in meinem benachbarten Discount-Supermarkt.
Zunächst war ich recht stolz auf mein inneres Team. In einer ebenso lustigen wie unbeholfenen Bastelstunde habe ich aus nicht mehr tragfähigen Kleidungsstücken Stoffstücke ausgeschnitten. Diese habe ich nun versucht, zu einem Mund-Nase-Schutz umzuwidmen. Dabei schwebte mir zunächst vor, das zurechtgeschnipselte Stoffstück an den Bügeln meiner Brille zu befestigen. Dann entschied ich mich allerdings doch zu einer Version mittels Halstuch. Passt auch besser zum Cowboyhut, dachte ich mir.

Auf dem Parkplatz des Supermarktes angekommen, kam es zu einer unerwarteten Allianz in meinem inneren Team.
Mein innerer linker Gegendemonstrant, Modell „Schwarzer Block“, eroberte zusammen mit meinem inneren Wutbürger, Typ „Südstaaten-Redneck“, den Platz am Steuerpult meiner Psyche.
Es ist selten – ja geradezu nie – der Fall, dass diese beiden sich sonst diametral gegenüber stehenden Kontrahenten meines inneren Teams gemeinsame Sache machen.
Ich beschloss, das Ganze mal zu beobachten und falls notwendig, energisch einzuschreiten.

Einkaufen stellt für mich dieser Tage ein Unternehmen dar, welches einer Expedition in potentiell feindliches, mindestens aber unwirtliches Gebiet gleicht.

Phase 1:
Eroberung eines der abgezählt ausgegebenen Einkaufswagen nach Wartezeit in der ersten Schlange.
Maske noch in der Tasche, wenn auch als Einziger, denn die übrigen Menschen sind schon vermummt. Wenn überhaupt, dann erst im letzten Moment, bin noch an der frischen Luft und die Wartenden halten brav voneinander Abstand, denke ich.

Phase 2:
Mit eigenem Einkaufswagen die Filiale betreten und vorher die dort rund um die Tür angebrachten Sonderhinweise gegen Corona studieren.
Dann passiert es: einer Laune folgend, hindern mich Wutbürger und linker Gegendemonstrant daran, meine Maske aus der Tasche zu ziehen.

„Steht vorne nirgends dran, das ich das muss!“ grölt der Wutbürger.
„Machen wir doch mal ein Experiment zu sozialem Ungehorsam.“ zischt der linke Gegendemonstrant.

Phase 3:
Der Laden wird betreten, die ersten Einkäufe verstaut. Ich bin der einzige ohne Maske.
Es dauert keine fünf Minuten und es passiert: eine andere Kundin macht einen Verkäufer auf mich aufmerksam. Äußerlich ruhig, so tuend, als hätte ich nichts gehört, gehe ich, Unschuld heuchelnd, weiter meinem Einkauf nach.

In meinem inneren Team überschlagen sich die Ereignisse.
„Man hat uns verpfiffen!“ knurrt der Wutbürger.
„Wir wurden denunziert!“ echauffiert sich der linke Gegendemonstrant.
„Ja genau – demontiert hat man uns!“ grölt mein innerer Wutbürger.
„Schnell, ketten wir uns an die Kühltruhe.“ macht der linke Gegendemonstrant den nächsten Vorschlag.

Schnitt

Von der petzenden Kundin alarmiert, spricht mich ein Verkäufer an. Ich drehe mich um.
Die Kamera zoomt so, dass wir beide komplett gut sichtbar sind.

Meine Wenigkeit, 38, knapp 1,85 m und 90 Kilo schwer, Vollbart, lange Haare, Brille, Arbeitsklamotten und Cowboyhut auf dem Kopf.

Seine Wenigkeit, vermutlich volljährig aber noch mit dem Aussehen eines Vor-Konfirmanden, knapp 1,75 m und um die 70 Kilo, rotes, kurzgeschorenes Haar krönt ein Gesicht mit Stupsnase und Sommersprossen, in welchem sich nicht die kleinste Spur eines frühreifen Barthaars verirrt.

„Mein Herr, ich muss Sie bitten, Ihre Nase und den Mund zu bedecken, sonst muss ich Sie bitten, die Filiale zu verlassen.“ entwindet sich ein dünnes Stimmchen aus dem viel zu dünnen Hals des Verkäufers.

„In Deutschland herrscht Vermummungsverbot!“ brüllt mein innerer Wutbürger.
„Es ist gut zu wissen, dass man in Deutschland auch 75 Jahre nach Kriegsende noch zuverlässig denunziert wird!“ schnappt mein innerer linker Gegendemonstrant.
Der Rest meines inneren Teams hat sich irgendwo versteckt.

Jetzt erscheint, wie ein Springteufel, in einem Konfettiregen, mein inneres Blumenmädchen zwischen Wutbürger und linkem Gegendemonstranten und flötet:
„Guckt mal, ich hab hier zwei Clownsnasen. Die setzt Ihr Euch jetzt auf und dann streitet Ihr weiter.“
Synchron fahren die Köpfe zu ihr herum: „WTF?“
„Ja“, flötet das Blumenmädchen weiter, „das ist ein Rat aus Eckhard von Hirschhausens ‚Liebesbuch‘.
Und haucht, errötend: „Ist sowieso ein toller Mann.“

Schnitt

Den kurzen Moment der allseitigen Iritation nutzt dann endlich mein innerer Mediator, Diplomat und Pressesprecher. Sachlich, aber bestimmt, erobert er die Kontrolle am Schaltpult meiner Psyche zurück.

Ich sage: „Entschuldigen Sie.“
Ich ziehe mein Halstuch aus der Tasche und bedecke Mund und Nase.

Kasse

Abspann

Outtake:

In einem Akt des Empowerments erscheint mir an diesem Abend erneut das Blumenmädchen meines inneren Teams. Gekleidet nur in einen Hauch von Kreativität. Die Muse küsst, der Mann bastelt.

Meine erste selbstgebastelte Maske für Mund und Nase

So long, Euer Schmusehamster (ak)

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